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Flüstern

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Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

Bestimmte Worte hat seine Großmutter immer nur geflüstert. Walter, unser Hüttenwirt, hat mir das im Skiurlaub erzählt. Und ich hab gesagt: Lass mich raten, bestimmt waren das Worte von schlimmen Krankheiten. Denn bei meiner Oma war es genauso. „Krebs“ war so ein Wort, das früher oft nur geflüstert wurde. Unsere Großmütter wussten oder spürten: Laut und öffentlich ausgesprochene Worte sind wie Taten, sie bewirken etwas. Darum flüstern sie „Krebs“ nur hinter vorgehaltener Hand. Zum Glück, war ich mir mit Walter einig, muss man heute über Krebserkrankungen nicht mehr flüstern. Viele Prominente haben mit ihrer Offenheit dazu beigetragen: Hildegard Knef hat sich schon in den 1970ern zu ihrem Krebs bekannt. Dann auch Dieter Hildebrandt, oder Sylvie van der Vaart.

Heute sind es andere Worte, die offenbar tabu sind. Und da in unsrem Skiurlaub gerade die Vier-Schanzen-Tournee zu Ende gegangen war, kamen wir auf den Skispringer Thomas Morgenstern zu sprechen, einen der erfolgreichsten österreichischen Skispringer, vierzehn Goldmedaillen. Letzten Herbst hat er seine Karriere im besten Skispringeralter beendet. Walter sagt: Ein Wort dürfen Skispringer auf keinen Fall laut sagen: Angst. Nach einem schweren Sturz hat Thomas Morgenstern sich das doch getraut: Er hat gesagt: \"So kann ich nicht weitermachen. Ich möchte nicht die ganze Zeit mit der Angst im Magen springen.\" Vielleicht war das noch mutiger, als von einer großen Schanze zu springen.

Worte sind Taten, sie bewirken, dass über die Wahrheit frei gesprochen werden kann. Als ich am nächsten Morgen auf der Skihütte aus dem Fenster geschaut habe, hat es geschneit. Ich hab den dicken Flocken eine Weile zugeschaut und dabei an die Macht der Worte gedacht. An einer Stelle in der Bibel wird Gottes Wort mit Schnee verglichen: „Wenn Regen oder Schnee vom Himmel fällt, kehrt er dorthin nicht zurück, ohne dass er etwas bewirkt. Er durchfeuchtet die Erde und macht sie fruchtbar. … Genauso ist es mit dem Wort, das ich spreche … es bewirkt was ich will und es führt aus, was ich ihm auftrage. (Jes. 55) Das sagt der Prophet Jesaja im Namen Gottes und ist überzeugt: Gottes Worte bleiben nicht ohne Wirkung. Aber auch Menschenworte haben Macht. Wenn sie laut und offen von der Wahrheit sprechen, eröffnen sie Zukunft.

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