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Nächstenliebe und der Kampf um jeden Parkplatz

Nächstenliebe und der Kampf um jeden Parkplatz

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Ich drehe schon seit Stunden meine Runden und suche verzweifelt einen Parkplatz in meinem Stadtteil. Die Nerven liegen blank. Ich will nur noch eins: nach Hause. Da endlich erspähe ich eine Lücke in einer Seitenstraße. Schnell abbiegen und Blinker setzen, denn das nächste Auto ist direkt hinter mir.

Ich habe meinen Wagen halbwegs eingeparkt, da klopft es ans Fenster. Die Frau aus dem Kombi hinter mir spricht mich an. „Nicht erschrecken“, sagt sie. „Ich wollte nur fragen, ob die Parkplatzsituation hier sehr eng ist. Wir haben nämlich geheiratet. Alle unsere Hochzeitsgeschenke sind zum Entladen im Kofferraum. Ihr Parkplatz wäre genau vor unserer Haustür.“

Ich habe so lange gesucht, denke ich. Ich kann und will nicht mehr. „Tut mir leid“, sage ich zu der jungen Frau. „Es ist im Moment wirklich aussichtslos und ich bin so froh über diesen Parkplatz.“ „Verstehe“, sagt sie. Die beiden stellen ihren Wagen mit Warnblinker auf den Gehsteig und laden von dort aus.

Nicht wirklich zufrieden mit mir parke ich fertig ein. Zuhause liest mir mein Lebenspartner kräftig die Leviten: „Das kannst du doch nicht machen! Ein Hochzeitspaar so stehen lassen!“ Aus Frust über die lange Parkplatzsuche habe ich nur an mich gedacht. Aber darf ich das nicht auch mal?

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, heißt eines der höchsten Gebote in der Bibel. (3. Mose 19, 18 / Markus 12, 31) Es verhält sich bei dem Gebot wie bei einer Waage: In der einen Schale mein Nächster, in der anderen ich selbst. Die beiden Waagschalen auszubalancieren, ist oft überhaupt nicht einfach.

„Wie dich selbst“, sagt das Gebot der Nächstenliebe. Ich darf auch an mich selber denken. Immer allen anderen den Platz zu überlassen, den ich zuerst angesteuert habe, wäre des Guten zu viel. Ich bliebe selbst auf der Strecke.

Aber es gibt den Nächsten, der etwas mehr oder dringender braucht als ich. Das junge Paar wäre vielleicht ein solcher Nächster gewesen. Ich seufze und sage mir: Üb weiter Nächstenliebe!

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