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Niemand hat nur einen Vater
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Niemand hat nur einen Vater

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Kann ich das überhaupt verstehen? Nachempfinden, was es heißt, seinen leiblichen Vater nicht zu kennen?

Ich habe ja meinen Vater gehabt. Von Anfang an. Und als er gestorben ist, war ich längst erwachsen und schon selbst Vater. Manche sagen, dass sie Gemeinsamkeiten zwischen uns sehen. Die Art zu sprechen. Die Augen, die auch schon der Großvater so ähnlich hatte.

Ich verstehe, dass man wissen will, wer sein Erzeuger ist. „Ich will wenigstens einmal seine Stimme hören!“ sagt eine Frau, die auf der Suche nach ihrem biologischen Vater ist.

Verstehen kann ich, dass ein Mensch alles dran setzt, um herauszufinden, wer dieser Vater ist. Und ich finde gut, dass es ein Recht darauf gibt. Zugleich aber weiß ich: der biologische Vater, der im Leben eines Kindes nie auftaucht, oder der anonyme Samenspender – die bedeuten im Leben eines Menschen weit weniger als der Vater oder die Mutter, mit denen ich aufwachse. Die Menschen also, die für mich sorgen und von denen ich lerne, worauf ich vertrauen kann, die mit mir zusammen leben, mit mir lachen und weinen und streiten.

Wer sich auf die Suche nach seinen Wurzeln macht, kann auch enttäuscht werden. Manche finden ihren Vater nicht, andere verstehen sich nicht mit ihm. Vielleicht sehen darum Menschen in Gott einen himmlischen Vater, weil sie sich nach einem verlässlichen Halt sehnen.

Mich hat es schon als Kind beeindruckt, dass wir sogar von einem „Vater im Himmel“ sprechen können. Der himmlische Vater ist so etwas wie der Vater-der-immer-da-ist. Der zuverlässig ist. Und der liebevoll und gütig ist. Der Vater in der Familie, der kann ja auch mal schlecht gelaunt oder ungerecht daher kommen – und vor allem: er wird irgendwann nicht mehr da sein.

Väter sind wichtig im Leben. Aber prägende Menschen – das können auch Leute sein, die gar nicht zu meiner Familie gehören. Für Jugendliche kann der Trainer aus dem Sportverein oder ein Lehrer zu so etwas wie der Vater werden.

Wenn man so will, hat jeder immer mehr als nur einen, der für einen Vater ist.

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