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Liebe ist (k)ein Schlachtfeld

Liebe ist (k)ein Schlachtfeld

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

Ja, ich war auch mal jung. Und manchmal geht es mir so, wie ein Werbeslogan für hr1 gefordert hat: Gib mir das Gefühl zurück. Wir waren jung und niemand konnte uns Vorschriften machen. So, wie Pat Benatar in ihrem Song „Love is a Battlefield“ singt:

We are strong,
no one can tell us
we’re wrong
Searching our hearts
for so long,
both of us knowing
Love is a battlefield

Wir sind stark, niemand kann uns weismachen, dass wir falsch liegen.
Wir haben lange gebraucht, bis unsere Herzen sich gefunden haben.
Wir wissen beide: Liebe ist ein Schlachtfeld.

Ja, wenn man denkt, nun endlich hat man seine große Liebe gefunden! Ich weiß noch, wie es war. Nach ein paar Freundschaften war ich mit einem zusammen, mit dem Mann, der damals meine große Liebe war. Es war eine großartige Zeit! Wir waren jung und stark und unabhängig. Wir brauchten nicht viel. Wenn das Geld reichte für Kino und im Theater für die billigsten Plätze, waren wir glücklich. Am Wochenende fuhren wir mit Fahrrad und Zelt los, nur wir beide, es war herrlich.

Aber es funktionierte nur, wenn wir zu zweit etwas unternahmen. Es war kein Platz für andere. Wenn wir mal mit Freunden unterwegs waren, gab es immer Krach. Mein Freund war sehr leistungsorientiert, immer war ein bisschen Wettkampf dabei: Wer radelt weiter, wer kann länger wandern ohne Pause, wer hat die schlauesten Kommentare zum Theaterstück. Und ehrlich gesagt, gab es auch zwischen uns immer diese Konkurrenzkämpfe. Und auch zu Verletzungen. So geht es auch den jungen Verliebten im Song von Pat Benatar:

You’re beggin me to go,
you’re makin me stay
Why do you hurt me so bad?
It would help me to know
Do I stand in your way,
or am I the best thing you’ve had?

Believe me, believe me,
I can’t tell you why
But I’m trapped by your love,
and I’m chained to your side
We are young,
heartache to heartache
we stand
No promises, no demands
Love is a battlefield

Du bettelst darum, dass ich gehe –
du sorgst dafür, dass ich bleibe
Warum verletzt du mich so schrecklich?
Es würde mir helfen, zu wissen:
Stehe ich dir im Weg?
Oder bin ich das Beste, was du jemals hattest?

Glaub’ mir, glaube mir,
ich kann dir nicht erklären, warum,
aber ich bin gefangen von deiner Liebe
und an deine Seite gekettet.
Wir sind jung,
einen Liebeskummer nach dem anderen
halten wir aus.
Keine Versprechen, keine Forderungen,
Liebe ist ein Schlachtfeld

Die Liebe ist ein Schlachtfeld, singt Pat Benatar 1983. Da war sie selbst schon dreißig. Die New-Yorkerin ist ein Kind polnischstämmiger Eltern und hatte früh geheiratet, mit achtzehn. Und schon nach ein paar Jahren war diese Ehe zerbrochen. Love is a battlefield. Pat Benatar wusste bestimmt, wovon sie singt.

Jede Liebe ist am Anfang so wunderbar. Schmetterlinge im Bauch, siebter Himmel. Und dann spürt man die Verletzlichkeit. Wenn eine erste Beziehung gescheitert ist, nimmt man bei einer neuen Liebe den Gedanke mit: Auch das kann vorbei gehen! Denn man hat ja schon einmal erlebt, wie die Liebe endete, welchen Kummer und Verletzlichkeit man dann fühlt, wie zwei, die sich einmal so vertraut und eng waren, auseinandergegangen sind, welche schalen und verletzten Gefühle man zurück behält und dann ins weitere Leben mitnimmt.

Bei der zweiten oder dritten Liebesbeziehung ist mann nicht mehr so unerfahren: „heartache to heartache“ – „einen Liebeskummer nach dem anderen“ halten wir aus, singt Pat Benatar.

Vielleicht stellt man sich darum dann auch mehr Fragen. Warum bist du mal so und mal so zu mir? Einmal soll ich gehen, dann wieder bleiben. Warum, so fragt sie im Song, verletzt du mich so schrecklich?

Und sie ahnt schon, sie ist nicht unersetzlich, vielleicht sogar, schrecklicher Gedanke: Sie ist austauschbar. Pat Benatar fragt darum ihren Geliebten, voller Selbstzweifel: „Bin ich wirklich das Beste, was du jemals hattest?

Und sie bekräftigt, dass sie sich von seiner Liebe gefangen fühlt, als wäre sie „chained to your side“ – an seine Seite gekettet.

Bei aller Kraft und allem Stolz, den sie in dieses Lied legt, mit der unbändigen Energie in ihrer Stimme – man spürt ihre Angst und Verletzlichkeit darin. Als würde sie dagegen ansingen, eine Bestätigung suchen gegen ihren Zweifel:

We are strong,
no one can tell us
we’re wrong
Searchin our hearts for so long,
both of us knowing
Love is a battlefield

Wir sind stark,
niemand kann uns einreden,
dass wir falsch liegen.
Wir suchen unsere Herzen schon so lange.
Wir wissen beide,
Liebe ist ein Schlachtfeld.

Die eigene Verletzlichkeit spüren – und sich gleichzeitig die eigene Kraft bewusst machen – ich glaube das ist es, was mich an diesem Song aus den Achtzigern schon damals so angesprochen hat.

Meine große Liebe damals hatte auch so etwas. Werde ich die Erwartungen meines Freundes erfüllen? – das war insgeheim oft meine Angst. Denn diese ganzen Abenteuer kosteten auch viel Kraft. Ich habe lange gebraucht, um mir das einzugestehen. Aber irgendwann kam der Punkt, als ich genau wie Pat Benatar fragte: Kann ich mich auf dich verlassen? Und wirst du mir dein Herz anvertrauen?

We’re losing control
Will you turn me away
or touch me deep inside?
And before this gets old,
will it still feel the same?
There’s no way this will die
But if we get much closer,
I could lose control
And if your heart surrenders,
you’ll need me to hold

Wir verlieren die Kontrolle
Wirst du mich weg schicken,
oder mich tief im Innern berühren?
Und bevor das alles alt wird,
wird es sich immer noch genauso anfühlen?
Dies kann nie sterben.
Aber wenn wir uns noch viel näher kommen,
könnte ich die Kontrolle verlieren.
Und wenn dein Herz aufgibt,
brauchst du mich, um dich zu stützen.

Eines Tages kommt vielleicht in jeder Liebe der Punkt, wo einem klar wird: Zur Liebe gehört Vertrauen. Pat Benatar singt „we’re losing control“. Wer liebt, verliert in gewisser Weise die Kontrolle. Denn man spürt, in der Liebe geht es um uns beide. Niemand kann allein bestimmen, wie die Liebe sich weiter entwickelt. Nirgends ist man so angewiesen auf die Gefühle, die Gedanken und die Entscheidungen eines anderen Menschen, wie in der Liebe zueinander als Mann und Frau, als Liebespaar mit Haut und Haar.

Die Liebe wird zum Schlachtfeld, wenn einer die Schwächen und Ängste des anderen ausnutzt und sozusagen als Siege auf Kosten des Schwächeren verbucht. Und darum frage ich, ist es wirklich so, wie Pat Benatar es uns und auch sich selbst so laut und kraftvoll singt:

We are young,
heartache to heartache
we stand
No promises, no demands
Love is a battlefield

Wir sind jung,
einen Liebeskummer nach dem anderen halten wir aus.
Keine Versprechen, keine Forderungen,
Liebe ist ein Schlachtfeld.

Ich glaube, die Liebe braucht nicht unbedingt Versprechen und Forderungen, wenn damit Floskeln und Liebesschwüre gemeint sind. Was aber Liebe braucht, ist Vertrauen. Dass man sich aufeinander verlassen kann, auch in Augenblicken der Schwäche. Gerade dann.

Die Trennung von meinem Freund damals kam genau in so einem Augenblick. Wir waren in den Alpen, hatten in einer Berghütte übernachtet und wollten auf einen Klettersteig, so richtig mit Helm und Seilen. In der Nacht hatte es geschneit, es war Frost, alles vereist. Er wollte unbedingt klettern gehen. Ich hatte Angst. Und in der Berghütte hatten uns erfahrene Bergleute dringend abgeraten. Aber er wollte es unbedingt, volles Risiko. Meine Unsicherheit zählte nicht. Da wurde mir schlagartig klar: Ich kann ihm nicht vertrauen, mich nicht ihm an-vertrauen. Wenn ich abgestürzt wäre – er hätte es ganz offensichtlich in Kauf genommen. Das war der Moment, wo ich umdrehte. Er ging weiter. Ich stieg ab, viele hundert Höhenmeter steil herab, bis ins Tal. Ich lief – schon im Dunkeln – bis zum Bahnhof, setzte mich in einen Zug und fuhr zurück. Es war das Ende unserer Beziehung.

Heute ist das weit weg. Ich bin mit einem anderen Mann verheiratet. Als wir eine Zeit lang zusammen waren, habe ich gespürt: Er hält zu mir, was auch immer er vorhat oder gerade wichtig erscheint. Wir haben geheiratet, uns ge-traut, wie es auf den Hochzeitseinladungen ja oft so schön heißt. Vor dem Altar in der Kirche haben wir es so ausgesprochen. Die Trauung hat ganz viel mit Vertrauen zu tun. Wir wollen füreinander da sein. Der Pfarrer hat, als wir beide vor dem Traualtar standen, meinen Mann gefragt, ob er für mich da sein will „in guten und in schlechten Tagen“. Und er hat geantwortet: Ja, mit Gottes Hilfe. Und ich habe ihm das auch so versprochen: Ja, mit Gottes Hilfe. Ich liebe dich und meine Liebe trägt, jedenfalls hoffentlich.

Wir wussten damals nicht, ob wir unser Versprechen das ganze Leben lang halten werden. Das wissen wir ja heute und morgen auch nicht. Darum haben wir uns bei unserem Versprechen auf Gott bezogen: „Ja, mit Gottes Hilfe“. Denn manchmal reichen die eigenen Kräfte nicht, sind die Ablenkungen, die Verführungen, die Ungeduld zu schwer.

Die Liebe ist ein Schlachtfeld. Manchmal denke ich, oh Mann, wie Recht Pat Benatar mit diesem Songtitel hat. Und ich wünsche mir, dass wir uns auf diesem Schlachtfeld nicht verletzen, sondern mit heiler Haut hindurchgehen können. Ja, irgendwie beide als Sieger. Weil unsere Liebe siegt.

Denn jetzt bin ich nicht mehr so jung. Liebe übersteht Konflikte, wenn Vertrauen da ist, dass der andere einen mit seinen Ängsten und Schwächen wahrnimmt.

Es ist so wunderbar, wenn man sich in Liebe gefunden hat. Wenn diese Liebe trägt, man sich gegenseitig Halt und Sicherheit schenkt. In dieser Stärke entdecke ich auch viel von der Freiheit, die Pat Benatar besingt.

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