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Ein besonderes Familientreffen
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Ein besonderes Familientreffen

Ute Klewitz
Ein Beitrag von Ute Klewitz, Pastoralreferentin, Mentorin für Lehramtsstudierende mit dem Fach Katholische Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz

Vorletztes Wochenende gab es in meiner Familie ein ganz besonderes Treffen. Für etliche ein Wiedersehen nach fast 20 Jahren. Drei Brüder hatten sich damals zerstritten. Der mittlere Bruder starb. Von da an gingen die beiden anderen ihre Wege. Es herrschte Funkstille. Zufällig sind sich dann vor einiger Zeit wir Kinder dieser Brüder uns begegnet und haben ein Familientreffen vereinbart. Das hat jetzt im August stattgefunden – und es berührt mich bis heute. Die beiden Brüder haben nicht den alten Streit aufgewärmt – neugierig und vorsichtig sind sie aufeinander zugegangen. Einer hatte dabei Tränen in den Augen. Die Brüder und wir Kinder waren in einer ruhigen, guten Stimmung. In diesem Moment spielten die alten Geschichten keine Rolle mehr.

Jetzt drei Wochen nach diesem Familientreffen denke ich: Es war fast eine leichte Versöhnung, eine jedenfalls ohne Zwang und Druck. Versöhnung: Das kann ja auch einen schweren, manchmal moralisierenden Klang haben. Wenn es um Opfer und Täter geht, Verbrechen begangen wurden. Aber oft geht es ja bei der Versöhnung gar nicht um Gewaltverbrechen, sondern um alltägliche Verletzungen, um Kränkungen. Da sagt einer zum anderen ein unbedachtes, kränkendes Wort – und den anderen schmerzt es so sehr, dass daran Beziehungen zerbrechen. Es gibt Möglichkeiten, solche Konflikte, die mich quälen, zu klären: Ich kann mit Freunden reden, mit Therapeuten. Aber es gibt auch eine religiöse Tradition, die dabei hilft mit Konflikten umzugehen. Sie heißt „Unterscheidung der Geister“, heute spricht man von Unterscheidung der inneren Stimmen. Dabei erzähle ich vor Gott und einem ausgebildetem Begleiter das, was mich so schmerzt. So lerne ich in Gesprächen die Stimmen besser kennen, die mich quälen. Gleichzeitig erkenne ich aber auch die Stimmen, die mir gut tun und mir helfen. Ich finde meine innere Balance wieder und kann mich mit mir selber auszusöhnen. Das habe ich auf unserem Familienfest erlebt. Auch nach vielen Jahren: Versöhnung war möglich.

Versöhnung ist eine Kraft, die den Blick nach vorne richtet.

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