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Meditation und Faszination
Bild: benjamin balazx_pixabay

Meditation und Faszination

Patricia Nell
Ein Beitrag von Patricia Nell, Katholische Pastoralreferentin und Religionslehrerin, Frankfurt
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Manchmal gibt es jene besonderen Momente in meinem Berufsschulalltag, in denen ich spüre: Hier passiert etwas, das kann ich als Religionslehrerin weder herbeiführen noch beeinflussen. So war es vor einer Woche: Nima ist mit seiner Präsentation dran. Es geht um den Buddhismus, ein Thema, das er sich selbst ausgesucht hat. Frei und lebendig erzählt er vom edlen achtfachen Pfad, von Erkenntnis und Achtsamkeit und vom buddhistischen Klosterleben.

Gemeinsam Schweigen und Sitzen

Ich sitze seitlich in einer Schulbank und mein Blick schweift durch die Klasse. Viele hören konzentriert zu und machen Notizen. Aber eben nicht alle. Immer gibt es welche, die es um nichts in der Welt schaffen, ihr Handy mal für eine Stunde in der Tasche zu lassen. Und dabei ist Nima, der da vorne referiert, doch so lebendig und ganz in seinem Element. Gerade spricht er vom Meditieren. Das spielt im Buddhismus eine sehr große Rolle. Und offenbar auch im Leben von Nima. „Ich selbst mache es jeden Tag mehrmals“ sagt er und scheint sich darüber zu freuen. „Es hilft mir, ruhig und gelassen zu werden. Lange habe ich mich dafür nicht so interessiert. Bis ich meine Freundin kennengelernt habe. Und mit ihr das gemeinsame Schweigen und Sitzen.“

Wie in einem Meer von Glück und Liebe

Und während er das so sagt, schweift mein Blick wieder in die Runde. Was ich jetzt sehe, kann ich kaum glauben: Plötzlich sind alle konzentriert und gespannt. Die Handys sind verschwunden. Die jungen Leute schauen erwartungsvoll auf Nima. Und der erzählt weiter: „Ja, das kostet richtig Überwindung. Das Sitzen. Das Still werden. Du musst dich aushalten, deine Gedanken, deine Gefühle. Und dann musst du versuchen, loszulassen. Das ist verdammt schwer. Aber wenn du es immer wieder probierst, schaffst du es. Irgendwann spürst du dann Stille in dir. Du spürst Glück. Pures Glück. Und Liebe. Es ist, wie wenn du in einem Meer von Glück und Liebe schwimmst.“

Wenn es Gott gibt, dann liebt er doch alle gleich

Es ist mucksmäuschenstill. Alle sind noch immer wie gebannt. Auch ich. Und nach einem schallenden Applaus schnellen reihenweise die Finger hoch. „Kennen Sie das auch?“, will einer von mir wissen. „Also ich meine, gibt’s das im Christentum auch? Haben Sie auch schon mal sowas gemacht und erlebt?“ „Ja“, sage ich. „Meditation gibt es im Christentum auch.“ „Können wir das nicht alle einfach mal zusammen ausprobieren?“, ruft einer. Und der Nächste setzt noch eins drauf: „Ja, genau. Ist doch eigentlich völlig egal, wer hier was glaubt. Und falls es wirklich einen Gott gibt, dann liebt er doch alle gleich. Und dann wird der uns schon irgendwie helfen, oder?“

Dann versuchen wir das mal gemeinsam

Ich stand da und sortierte mich vorsichtig. Diese Stimmung hatte ich in der Klasse noch nie erlebt.

„Ja, das wird Gott bestimmt tun,“ hab ich leise gesagt und nach einem kurzen Moment des Schweigens angeboten: „Und wenn Sie möchten, dann versuchen wir das mal gemeinsam “ Und dabei war ich noch immer beeindruckt von dem, was da gerade so unerwartet geschehen war.

Die Sehnsucht einer ganzen Schülergruppe geweckt

Wir haben es dann tatsächlich versucht, mit dem Meditieren. Es war eine echte Herausforderung. Und eine tolle Erfahrung. Und das geschah, weil einer einfach von sich erzählt und dabei die Sehnsucht einer ganzen Schülergruppe geweckt hatte. So etwas lässt sich nicht „machen“. Das sind die besonderen Momente in einem Berufsschulalltag! Sie sind immer wieder ein Gewinn. Und erhalten mir trotz mancher Turbulenzen die Freude, für die Jugendlichen da zu sein. Und die Gewissheit, dass ungeahnte Kräfte in uns allen wirken, ganz gleich, wes Geistes Kind wir sind.

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