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Jomo - die neue Lust, Dinge zu verpassen
Bild: Hilary Clark/Pixabay

Jomo - die neue Lust, Dinge zu verpassen

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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Es gibt einen neuen Trend. In der Bahnhofsbuchhandlung habe ich ihn entdeckt. Auf der Titelseite einer Zeitschrift: „JOMO – the Joy of Missing Out“. Die neue Lust, Dinge zu verpassen. Das klingt spannend. Ich habe mir die Zeitschrift gleich gekauft und den Artikel gelesen.
Von „Fomo“ hatte ich schon gehört. „The Fear of Missing Out“. Die Angst, etwas zu verpassen. Nicht dazuzugehören, weil ich nicht auf dem Laufenden bin. Wer unter Fomo leidet, muss immer online sein. Hat alle Statusmeldungen der Freundinnen im Blick. Weiß genau, wer was gerade macht. Nein sagen ist schwer – man könnte ja etwas Wichtiges versäumen.

Jetzt ist also das Gegenteil dran. Einfach mal loslassen, lese ich. Lass dein Smartphone zu Hause. Genieße den Moment, statt Angst zu haben, etwas zu verpassen! Statt von einer Party auf die andere zu hetzen: Bleib zu Hause. Verabrede dich mit dir selber. Höre deinen eigenen Gedanken zu. Lerne deine Gesellschaft zu schätzen. Beschenke dich mit Verzicht! Das passt gut zu dem, was zurzeit wegen Corona ohnehin angesagt ist.

Staunend lese ich in dem Artikel, was zu dem neuen Lifestyle dazugehört: Bus und Zugfahren. Selten Fleisch essen. Die Lebensmittel im Einkaufsnetz nach Hause tragen. Bei jeder Anschaffung überlegen: Brauche ich das wirklich, oder ist das eher Ablenkung oder Trost? Die Autorin beschreibt, wie der Immer-Mehr-Boykott sie glücklich macht. Ja, sie sagt, es ist das Größte, was ihr passieren konnte. Und das Beste daran: Die Freude, Dinge zu lassen, tut nicht nur ihr selber gut, ihrem Portemonnaie und ihrer Gesundheit. Auch das Klima wird es ihr danken. „Jetzt sind wir Klimaschützer und Trendsetter noch dazu“ (Brigitte 4/2020; S. 88) So dieser Artikel.

Super, wenn alte Erfahrungen durch neue Begriffe wieder aktuell und zeitgemäß werden. Ich hoffe, dass viele diesem Trend folgen! Die Wochen vor Ostern sind eine gute Zeit, um damit anzufangen. Sieben Wochen ohne. Sieben Wochen anders leben, das Motto der Fastenzeit, sagt das gleiche mit anderen Worten. Weniger ist mehr. Verzichten, nicht, weil ich muss oder es mir nicht gönne. Sondern weil es guttut. Weil es mir hilft, mir die Macht zurückzuholen, die ich Dingen gegeben habe. Selber machen, statt Ersatz kaufen. Ausmisten. Meine Wohnung und meinen Alltag. Was macht mich glücklich und was kann weg? Von Dingen, die mich umgeben. Von Aktivitäten, die meine Zeit in Anspruch nehmen. Welche Menschen tun mir gut und von wem könnte ich mich verabschieden, weil sie mir nicht guttun? Unwichtiges verpassen, damit das Wichtige nicht verloren geht.

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