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hr4 Gottesdienstübertragung an Pfingstsonntag aus der evangelischen Stadtkirche Melsungen

hr4 Gottesdienstübertragung an Pfingstsonntag aus der evangelischen Stadtkirche Melsungen

Norbert Mecke
Ein Beitrag von Norbert Mecke, Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Melsungen

10:05 Uhr - 11:00 Uhr

Seelsorger am Telefon nach dem Gottesdienst

Pfingstsonntag 31. Mai 2020, 11:00 Uhr - 12:30 Uhr ist Dekan Norbert Mecke unter folgender Telefonnummer zu erreichen:
0 56 61 / 21 91

Nachzuhören

Im Lauf des Pfingstsonntag auf der Webseite von hr4.

Predigt von Dekan Norbert Mecke im hr4 Pfingstgottesdienst 2020  

„Begeistert leben“, Teil 1

„So soll es sein, so kann es bleiben. Alles passt perfekt zusammen!“ 

Liebe Gemeinde, was ist der perfekte Tag? So ein Tag, wo alles hundertprozentig ist? Manche Tage sind so was von nah dran:

Für Jannes zum Beispiel: Kriegt vormittags in seiner Abi-Klausur genau das Thema, auf das er gepokert hatte. Kommt am selben Nachmittag heim, und da liegt sie im Briefkasten: die Zusage für ein duales Studium bei seiner Traumfirma. Der perfekte Tag: Ja! 

Bei guten Freunden verläuft die Geburt des ersten Kindes total komplikationsfrei. Schon abends liegt die neue kleine Familie erschöpft, aber glücklich daheim im großen Bett. Für alle Freunde gibt´s per WhatsApp ein Foto. Das Glück strahlt nur so aus dem Bild heraus: Perfekt!

Oder erinnern Sie sich? Da gewinnt Deutschland 2014 im WM-Halbfinale sagenhaft 7:1 gegen Brasilien und fünf Tage später in der Verlängerung auch noch das Finale. Ein perfekter Sommerabend. Erst wird gegrillt, dann gehupt, gesungen und Wildfremde liegen sich in den Straßen in den Armen. Und der Bundestrainer sagt im Interview: „Ich bin auch für die Zukunft optimistisch!“

Klar: So soll es sein. So kann es bleiben. Der eine Moment. Alles passt perfekt zusammen. 

Irgendwann hatten Sie bestimmt auch schon mal so einen richtigen Ausstoß von Glückshormonen. Dann wissen Sie: Begeisterung packt einen richtig! Mit Schauer auf dem Rücken und breitestem Lachen im Gesicht! Die Worte sprudeln nur so heraus. Die Augen glänzen. Am liebsten würde man die Welt umarmen und den Moment in Stein meißeln:

„Heute: mein großer Tag und alle Welt muss es mitkriegen, weil ich total erfüllt bin und schier überlaufe!“ In solchen Momenten feiert es in einem. Ganz ohne Anleitung und lange Planung. Das ist nicht machbar, sondern mitreißend. Und mancher vergisst das Datum nie: 

„Ich weiß noch genau, wie damals die Zusage kam!“ – „Hier, das Foto: Unser Kleiner im großen Ehebett und wir stolzen Eltern links und rechts!“ – „Komm, noch einmal die sieben Tore sehen und Schweini: völlig abgekämpft, aber trunken vor Glück mit dem Pokal!“ – und schon steigt das Kribbeln wieder auf.

Kirche ist ganz groß im Erinnern an Daten und im „Weißt Du noch!?“ An Pfingsten zum Beispiel. Da liegt Kribbeln in der Luft. Wir haben es in der biblischen Lesung gehört: 

Aber zunächst sitzen die Freunde von Jesus in Trauerstimmung zusammen: Er ist nicht mehr bei ihnen. Sie sind verunsichert, wie es mit ihnen weitergehen soll. 

Da finden sich viele von uns drin wieder: Wir hätten ja erstmal gerne die gute alte Normalität wieder! Von Wellen der Begeisterung wagt man ja kaum zu träumen im Jahr 2020. Nix „La Ola“ und Fußball-Spielfreude. Die EM, die in zwei Wochen hätte starten sollen: gestrichen. 

Und daheim: Der schöne Moment mit dem klitzekleinen Nachwuchs scheint Lichtjahre entfernt, wenn der inzwischen pubertäre Spross die Zimmertür knallt und schreit: „Lasst mich einfach in Ruhe!“

Und in der stressigen Examensphase kommt Jannes die Euphorie damals beim Studienbeginn plötzlich reichlich naiv vor: „So soll es sein? So kann es bleiben?“

 

„Begeistert leben“, Teil 2

In alledem, sind wir trotzdem nah an Pfingsten. Da saß vor 2000 Jahren ein Grüppchen in Jerusalem mehr oder weniger frustrierter Jesus-Anhänger zusammen. Auf der Suche nach einhundert Prozent Leben, hatten sie das Gefühl gehabt, bei Jesus an der richtigen Adresse zu sein. Als er hingerichtet wurde, war das der Shutdown aller Hoffnung. Und die Nachricht von der Auferstehung: Das klang so weltfremd - zu schön um wahr zu sein! 

Die Freunde von Jesus sind ratlos: Gilt das überhaupt noch, was Jesus erzählt hat: Dass Gott uns liebt und nah ist? Dass Vertrauen, Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft zählen? Schreibt Gott wirklich mit Jedem Geschichte? Das fühlte sich gerade alles ganz anders an! Ihre Hoffnungslosigkeit steckt sie untereinander an: Ganz davon infiziert und mutlos ziehen sich in so etwas wie eine selbstgewählte Quarantäne zurück: 50 Tage lang.

Und dann ist es auf einmal wie bei einem aufkommenden Sturm. Er fegt durchs Haus. Himmlisches Rauschen. Feurige Herzen und glühende Köpfe. Erhitzt, beglückt und geradezu ekstatisch, trunken vom Zauber des Moments. Fremde verstehen sich. Jeder findet plötzlich Worte dafür, dass er Gott ganz nah fühlt. Staunen: Ja, so soll es sein. So kann es bleiben! 

Plötzlich ist alles stimmig. Die ganze Sache mit Jesus. Es hat „Klick gemacht“. „Alles passt perfekt zusammen, weil endlich alles stimmt und das Herz gefangen nimmt!“ – Pfingsten ist einhundert Prozent Begeisterung. Und genau darin liegt die Initialzündung der Kirche!

Es ist plötzlich Wind in die Sache gekommen! Nicht etwa über eine Verordnung, was man wieder darf. Keine Lockerungsübung gegen depressive Gemütszustände. Ganz plötzlich weht ein neuer Geist. Und

der weht von Null auf Hundert! Als hätte einer den Schalter umgelegt. Nein: Weil Gott den Schalter umgelegt hat!

Pfingsten hält die Grunderfahrung der Kirche fest: Die Initialzündung ist von außen gekommen. Sie besteht nicht in einem Programm. Sie ist Inspiration.

Das ist ein tolles Wort und heißt wörtlich: „Geist-Einhauchung“. So stellt sich Bibel schon die Erschaffung der Menschen bildlich vor: Konstruiert von Gott, dann haucht er ihnen Leben ein – und los geht´s! 

Pfingsten ist es neues Leben. Da geht mehr als ein Hauch Gottes durch die Reihen. Ein Sturm – und es gibt kein Halten mehr vor Begeisterung.

Noch so ein wunderbares Wort: „Begeisterung“. „Es hat mich gepackt!“ – kann ich antworten, wenn ich nach dem Grund meines Glaubens gefragt werde. Die Initialzündung ist von außen gekommen. Gott hat mich begeistert. Er hat es irgendwann geschafft, mich in meiner „Muttersprache“ anzusprechen. So, dass ich verstanden habe: „Das mit Jesus hat mir zu tun!“ Es ist seine Geschichte mit mir. Dass er Feuer und Flamme für mich ist. Dass Gottes Liebe das Hintergrundrauschen meines Lebens ist. Da gibt einer alles, damit ich die Fülle habe. Ein Geschenk, darauf vertrauen zu können! Wer´s kann, dem ist Gottes Geist längst begegnet!

 

„Begeistert leben“, Teil 3

„So soll es sein – so kann es bleiben.“ Mit dem Lied von „Ich & Ich“ ist es wie mit Pfingsten. Wenn es im Radio gespielt wird, werden nie alle sagen: „Stimmt! Genau meine Stimmungslage!“ Genauso löst Pfingsten nicht auf Knopfdruck Begeisterung aus. 

Vielleicht ist Vieles in unseren Tagen und im eigenen Leben ganz und gar nicht so, dass man singen will: „So kann es bleiben.“ Wer singt sowas, einsam und allein daheim in Zeiten von Kontaktbeschränkungen? Oder zum Beispiel als Ladenbesitzer, der nicht weiß, ob das Geschäft die Krise übersteht? „So soll es sein!? Nein. Bitte nicht!“

Aber eine Ahnung, wie es sein soll, haben wir alle. Die Corona-Zeit lehrt, was im Leben zählt. Und manchmal leuchtet es auch in kleinen Momenten, die uns erfüllen, auf. Wir haben vorhin zwei Beispiele gehört: Die Musik, die Marion zum Schwingen und Strahlen bringt – und alles, was belastet, ist wie weggeblasen. Erhebende Momente beim Laufen in der Natur, die Eva das Gefühl geben, wie durch einen guten Geist getragen zu sein. Kleine Momente der Begeisterung. Ein Geschenk, wenn sie entstehen!

Pfingsten lüftet den Vorhang, welcher Geist uns bewegen und tragen will. 

Es ist nicht alles so, wie es sein und bleiben soll. Pfingsten malt vor Augen: „Es ist aber immer so, dass Gott etwas möglich macht und so kann es werden! – „Und wenn es da ist, werd´ ich feiern!“.

Kirche feiert heute, dass sie von der Begeisterung herkommt. Es ist wie in jeder Partnerschaft, Familie oder als Fußball-Fan. Die Begeisterung kommt nicht an jedem einzelnen Spieltag auf. Aber das Feuer brennt. Auf jeden Fall auf Gottes Seite. So bleibt es. Und eine Zeile kann ich eigentlich immer mitsingen, egal wie sehr ich noch auf der Suche nach hundert Prozent bin: „Ich bete jede Nacht, dass ich Dich finde!

Begeisterung im Glauben muss mich ergreifen. Ich kann sie nicht machen. Aber öffnen kann ich mich. Beten ist eine Haltung: Mich ausstrecken. Gerade in Krisenzeiten: Gott lässt sich finden mitten in meiner Sorge, wie es weiter geht. Mitten in schlaflosen Nächten und allem, was runterzieht. Oder wenn ich einfach nicht mehr weiß, wie lange ich noch Geduld mit allem habe, was mich einschränkt, meine Pläne durchkreuzt oder nix mehr richtig planen lässt. „Gott, ich erwarte was von Dir! Neue Hoffnung und Kraft. Gerne mehr als einen Hauch! So soll es sein!“

Der Song von „Ich & Ich“ ist ein Liebeslied. Um weniger soll es zwischen Gott und mir doch auch nicht gehen: Es knistert in mir. Seine Liebe und Nähe begeistern mich. Ich sehne mich, mehr davon zu spüren, gerade, wenn ich sie brauche. Am liebsten so viel, dass ich davon weitergeben kann:

Wie damals an Pfingsten soll es in alle Welt überlaufen, dass mein Gott zu mir hält. Und zu Dir!

Und wenn jemand fragt: „Wo denn bitteschön?! Bist Du besoffen?!“ – dann antworte ich genau mit dem Satz, der auch im Pfingstbericht Antwort auf diese Frage gibt: „Hier ist keiner betrunken! Gott hat uns seinen Geist gegeben, wie es Jesus versprochen hat!“ 

Versprochen hat er: Sein Geist stärkt unseren Lebensmut. Sein Geist erinnert an seine Worte und dass sie sich bewähren. Er verwandelt Trauer in Freude. Und er weht nicht nur durch Häuser. Er lässt im Kopf aufleuchten, was im Leben zählt, und weht es dann ins Herz: Vertrauen auf Gottes Liebe. Verständnis für die Mitmenschen. Wo das passiert, ist Pfingsten. Egal an welchem Wochentag, ob durch Musik und Tanz, in der Natur oder einer Kirche. Wenn das passiert, singt Gott im Himmel: „So hab ich es mir gewünscht!“

Seine Band heißt wahrscheinlich nicht „Ich & Ich“, sondern eher „Ich und Du“: 

„Los, wir beide, lass uns die Lebensgeister wecken! So soll es sein!“  

Vielleicht fühle ich davon oft nur die Hälfte. Oder sogar weniger. Aber es macht mich leichter. Freier. Beswingter. Zuversichtlicher. Weitherziger. Begeistert für das Leben.

Gottes Geist weht. Hundertprozentig. 

Frohe Pfingsten!

Amen.

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