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Heute besuche ich mich selbst
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Heute besuche ich mich selbst

Michael Friedrich
Ein Beitrag von Michael Friedrich, Katholischer Diakon in der Pfarrei St. Peter und Paul, Hosenfeld
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Heute, am Silvester Tag schauen viele Menschen auf das vergangene Jahr zurück und ziehen eine Bilanz der letzten 52 Wochen. Mir kommen dabei die Worte des großen bayerischen Komikers, Schauspielers und Wortkünstlers Karl Valentin in den Sinn. "Heute Abend besuch ich mich. Ich hoffe, ich bin daheim." In diesem zunächst komisch klingenden Ausspruch liegt eine tiefe Weisheit. Sie konfrontiert mich mit der Frage, ob ich überhaupt Freude empfinde, wenn ich mich mit mir selbst konfrontiere. Wenn ich mich selbst und mein inneres Wesen besuche. Ich besuche mich natürlich dann gerne, wenn ich weiß, dass mich in meinem Inneren Wärme, Herzlichkeit, Ruhe und Freude erwarten. Das setzt aber voraus, dass ich mich kenne und mich ab und zu mit mir selbst beschäftige. Und wenn ich im Einklang mit meinen Stärken und meinen Schwächen bin, fühle ich mich vermutlich wohl im Leben. Dann bin ich im Einklang mit mir. In den Situationen des Alltags kann ich aus meinen Fähigkeiten und Möglichkeiten heraus gut handeln. Die Sehnsucht bei mir selbst anzukommen und Ruhe zu finden ist gestillt. "Heute Abend besuch ich mich. Ich hoffe, ich bin daheim."

Aber ich kenne auch die Tage, an denen ich nicht daheim zu sein scheine. Wenn mich Hektik, Chaos um mich herum und viele Anforderungen dominieren. Mit der Folge, dass ich in der Betriebsamkeit des Lebens nicht zur Ruhe komme. Dann ist ein Realitäts-Check angesagt. Denn wir tragen auch das Potenzial und die Fähigkeit in uns, auf die Gewichtung unserer Gefühle Einfluss zu nehmen. Wir können zum Beispiel die eigene Ich-Bezogenheit zurückstellen und prüfen, ob unsere Wahrnehmungen wirklich richtig sind. Aus der Position eines neutralen Beobachters kann sich schon eine neue Perspektive ergeben. Mein Vorschlag: Besuchen Sie sich heute einmal selbst und ziehen Sie eine Bilanz des in wenigen Stunden endenden Jahres. Vielleicht ergeben sich trotz vieler negativer Ereignisse, neue und positive Perspektiven. Ich denke beispielhaft an die Corona-Pandemie, die jeden getroffen hat und daran, dass ich in der Krise etwas mehr Zeit für mich selbst durch die Entschleunigung vieler Lebensbereiche hatte.
Auch mein Glaube bestärkt mich. Er gibt mir Gewissheit, dass Gott immer bei uns ist und uns in vielen Situationen unseres Lebens begleitet und beschirmt. In der Bibel finde ich als letzten Satz des Matthäusevangeliums Jesu Worte: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." Eine motivierende Erkenntnis. Und ich freue mich über eine Erfahrung, die ich auch im Jahr 2020 gemacht habe. Sie steht auf einem Schirm, den ich kürzlich erhalten habe: "Gott lässt dich nicht im Regen stehen!"

Schaue ich genau hin, dann war es für mich auch in diesem Corona-Jahr so. Das erhoffe ich auch für uns alle im bald beginnenden neuen Jahr 2021. Ich hoffe, mit dieser Zuversicht kann ich mich heute in einem Jahr wieder besuchen und feststellen, dass ich im Jahr 2021 oft bei mir zu Hause war und dass es ein von Gott beschirmtes und gutes Jahr war.

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