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(Fast) nie zu spät
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(Fast) nie zu spät

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Auf einer Party hat kürzlich eine skurrile Geschichte die Runde gemacht: Jemand erzählte von einer Bekannten, die  gerade mit  50 Jahren angefangen hat, Klavier zu spielen. Sie ist absolut bei Null gestartet. Aber sie übt fleißig – und führt Freunden regelmäßig stolz ihre Fortschritte vor. Das Problem ist offenbar: Sie beherrscht zwar bei einigen Liedern jeden Ton. Allerdings fügt sie diese Töne so langsam zusammen, dass man sie kaum erkennen kann. Die Zuhörer müssen ihre Phantasie zu Hilfe nehmen und die Töne im Kopf etwas schneller aneinandersetzen. Dann können sie erst die Stücke identifizieren.

Als ich mir dieses seltsame Konzert bildlich vorgestellt hab, hab ich erst mal amüsiert geschmunzelt. Aber dann hab ich noch ein anderes Gefühl gespürt: Respekt. Denn ich finde es vor allem wirklich bewundernswert, dass jemand über seinen Schatten springt, etwas Neues lernen möchte.

Und das erst recht, wenn man in einem Alter ist, in dem viele denken: „Ach, dafür ist der Zug längst abgefahren“. Dabei ist mir wieder eingefallen: Rund ums Abitur wollte ich auch mal Klavierspielen lernen. Aber ich hab nie einen Versuch gestartet. Viele Mitschüler um mich herum konnten nämlich schon als ABC-Schützen souverän Stücke klimpern. Das hat mich eingeschüchtert. Ich hab mich also zu alt für das Projekt gefühlt. Mit achtzehn Jahren!

Das kommt mir heute absurd vor. In dieser Hinsicht fühle ich mich heute jünger als damals. Denn ich weiß zwar: Übertriebener Jugendlichkeitswahn kann durchaus gefährlich für einen selbst und andere sein – etwa im Sport. Aber ich bin vor allem fest davon überzeugt: Es ist im Zweifel fast nie zu spät, etwas Neues zu lernen. Für mich heißt das zum Beispiel: Ein Klavier lasse ich jetzt zwar nicht mehr durchs Treppenhaus in meine Wohnung hieven. Aber ich stöber einfach mal im Regal nach dem sicher inzwischen etwas angestaubten Italienisch-Buch: Denn meinen Traum, diese Sprache zu lernen, könnte ich wirklich mit neuem Schwung angehen.

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