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Einstellungssache
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Einstellungssache

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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Gefreut hat es mich,als Hamburger Bürger dem gewalttätigen G20–Wochenende im Juli mit Humor und Engagement trotzten. Da war der Comedian Andre Kramer. Als hochgerüstete Polizeitruppen und schwarzer Block sich in einer aufgeheizten Atmosphäre gegenüberstanden, trat Kramer mit einem Pappschild auf die Straße, auf dem stand: „Ich bin Anwohner und gehe nur kurz zu Edeka. Danke“. Er war einer von vielen, die sich um humorvolle Deeskalation bemühten.

Große Schäden waren im Schanzenviertel entstanden. Überrascht hat es mich auch, dass viele Bürger zufassten und ihre Wohngegend reinigten, statt dazustehen, sich zu empören und darauf zu warten, dass gefälligst andere den Dreck wegmachten.

Egal, was passiert. Es kommt immer auf die Einstellung dazu an. Fühle ich mich wie erstarrt, mit dem Rücken zur Wand, als Opfer? Oder sehe ich einen Ausweg und kann die Situation entschärfen. Gewalt nicht mit Gewalt zu begegnen ist für mich so ein bisschen wie die provokative Haltung Jesu: „Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin!“ (Matthäus 5,39)

Humor ist eine Möglichkeit mit schwierigen Situationen umzugehen. Es gab viele Witze in der ehemaligen DDR. Es gibt gerade dort viele Witze, wo Menschen unter schwierigen Regierungssystemen leben müssen. „Der Humor ist eine Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung“, schrieb Viktor Frankl, der drei Jahre in den Konzentrationslagern der Nazis überstand. In seinem Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“,  erklärte er, dass den KZ-Insassen fast alles genommen werden konnte – nur nicht „die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen“. Zu dieser Freiheit gehörte für ihn der „Lagerhumor“. 
Die Schriftstellerin Irene Dische strahlt in ihren Büchern wie im Leben viel Zuversicht aus. Sie sagt in einem Interview: „Es geht um die richtige Haltung zu den Dingen. Dass man nicht nur das Schlechte, sondern auch das Gute sieht.“ Sie schreibt in einem ihrer Bücher, wie ihr Kindermädchen Friedel sie häufig in den Wandschrank sperrte. Oder wie sie sie drei Monate im Sommer im Strandhaus jeden Nachmittag dazu zwang, zwei Stunden im Bett zu liegen, ohne Bücher oder sonstige Ablenkung. Einfach, weil sie ihre Ruhe haben wolle. Das fand Irene Dische grausam, aber sie war kreativ und fand einen wunderbaren Ausweg aus dieser Zwangslage. An ihrem Fenster war ein Rollo angebracht, durch das die Sonne schien. Irene Dische ließ ihre Phantasie spielen und sah auf diesem Rollo Filme wie auf einer Leinwand. Zwei Stunden jeden Nachmittag hat sie sich einfach Filme vorgestellt.
Ihre innere Stärke hat sie unbeschadet durch diese Zeit kommen lassen. Sie hatte die starke Eigenschaft, Dinge hinzunehmen, die sie nicht ändern konnte. Dank ihrer Phantasie konnte sie aus der Öde in eine interessante, wunderbare Welt schlüpfen.
Humor entdecken, kreativ werden und Auswege suchen ist ein Weg, sich zu wehren.

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