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Einfach durch
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Einfach durch

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg

Es gibt Zeiten im Leben, da muss man einfach durch. Da hilft es nichts, zurückzuschauen oder nach rechts und links zu sehen. Da heißt es: Alle Kraft zusammen nehmen und durch!
Ich bin mit dem Fahrrad gestürzt. Gleich am ersten Ferientag. Ein gebrochener Oberschenkel, Rettungswagen, Notfallambulanz, Operation. Es hat scheußlich wehgetan. Und zu den körperlichen Schmerzen kam bald der Seelenschmerz. „Warum habe ich nicht besser aufgepasst! Warum passiert mir das? Ich habe doch andere Pläne für den Sommer, als in der Reha wieder laufen zu lernen!“ Aber ich habe schnell gemerkt: Solche Gedanken nehmen mir meine Kraft. Ich muss nach vorne schauen und meine Energie zusammenhalten.

Eine Frau aus der Bibel kam mir in den Sinn. Ihr Name ist nicht überliefert, nur der ihres Mannes. Der heißt Lot und ist der Neffe von Abraham, einem der Stammväter Israels. Im ersten Buch Mose wird ihre Geschichte erzählt. Sie leben in Sodom und müssen fliehen, weil die Städte Sodom und Gomorra vom Untergang bedroht sind. Zwei Engel kommen am Abend zu ihnen, um sie und ihre beiden Töchter aus dem drohenden Inferno herauszuholen. Ihr Befehl: „Nicht umdrehen, auch nicht stehenbleiben! Einfach losgehen – und durch.“ Aber Frau Lot schafft das nicht. Sie dreht sich um - und erstarrt zur sprichwörtlich gewordenen Salzsäule. Nicht jammern, sondern nach vorne sehen– das hätte sie gerettet. Sich und das eigene Schicksal nicht bemitleiden, sondern vertrauen und  losgehen. Es wäre alles gut geworden, wenn sie auf das Wort des Engels gehört hätte.
„Drehen Sie sich nicht um, Frau Lot!“ Dieser Satz ging mir durch den Kopf, als ich krank im Bett lag. Und dieser: Wer nach vorne sehen will, darf nicht nach hinten denken.
Sicher, das ist nicht immer so. Manchmal ist es hilfreich und wichtig, zurückzuschauen. Sich zu erinnern an das, was war. Schmerz und Jammer zulassen. Manchmal kommt die Kraft erst wieder, wenn alle Tränen geweint sind. Der Schmerz verwandelt sich, wenn wir ihn bis in die Tiefe gespürt haben.
Aber manchmal muss man einfach durch. Einfach nicht im Sinne von leicht. Wer solche Erfahrungen kennt, weiß: Das ist alles andere als leicht! Sonden einfach in dem Sinne, dass es jetzt nur um das Eine geht. Um das, was jetzt dran ist, was ich jetzt tun muss, was mein Körper jetzt braucht. Und der wollte bei mir alle Aufmerksamkeit für das kranke Bein. Keine Ablenkung durch Selbstmitleid und Selbstvorwürfe. Das hat mir geholfen. Und das Vertrauen, dass auch ich von einem Engel begleitet werde.

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