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Die Ärmel hochkrempeln und los

Die Ärmel hochkrempeln und los

Guido Hepke
Ein Beitrag von Guido Hepke, Evangelischer Pfarrer, Weilburg

Das ist doch kaum zu glauben: Sie sitzen im Gottesdienst, lauschen der Predigt, doch plötzlich kann man kein einziges Wort mehr verstehen. Ein Dröhnen und Bohren – Presslufthammer bollern, Sägen kreischen. Und dann fliegen auch schon die ersten Brocken. Erst löst sich der Putz – und dann fallen immer größere Stücke von der Decke runter. Mitten hinein in den Kirchenraum. Genau dahin, wo Sie sitzen. Sicherheitshalber springen Sie aus der Bank. Bevor die richtig großen Teile runterstürzen und Sie am Ende noch begraben. Doch es dauert nicht lange – und dann schweigen die Bohrhämmer wieder. Der Baustaub verzieht sich. Sie sehen das Loch – da oben in der Decke. Und Sie sehen vier Gesichter. Rund um das Loch hocken die vier und schauen herunter. Dann lassen die Männer, mit dicken Seilen gesichert, ein Bett hinab in den Kirchraum gleiten. Mit einem Kranken drauf. Einem Menschen, der sich nicht bewegen kann.

Also, wenn so etwas heutzutage geschehen würde – das ginge gar nicht. Das ist schon ein starkes Stück, was die vier da machen. Ärmel hochkrempeln und los. Sachbeschädigung nehmen sie in Kauf. Unglaublich, das Ganze. Und doch: Es ist passiert. Zugegeben: Schon vor langer Zeit. Und es war auch kein Beton damals. Die Decke bestand aus Lehm – vermischt mit Gras und einem Flechtwerk aus Holz und Zweigen. Das war also vorwiegend leichteres Material, das da den Menschen auf den Kopf fiel. Aber ich glaube kaum, dass die Leute damals begeistert waren von dieser Abrissaktion – mitten in einem mit Menschen vollgestopften Saal. Trotzdem – die Vier machen das. Sie krempeln die Ärmel hoch und legen los. Sie bringen einen Kranken zu Jesus. Denn sie hoffen auf Heilung und Heil.

Nur, sie haben ein Problem: Sie kommen gar nicht in die Nähe von Jesus. Es sind zu viele Menschen da. Also steigen sie der Menge aufs Dach. Sie tun etwas völlig Verrücktes, um helfen zu können. Und als sie Jesus erreichen, wird der Gelähmte gesund, an Körper und Geist.

Mir gefällt diese Geschichte aus dem Markus-Evangelium (Markus 2,1-12). Sie macht deutlich. Es ist notwendig, die Ärmel hochzukrempeln und loszulegen. Es ist wichtig, dabei auch ungewöhnliche Wege zu gehen, um anderen zu helfen. Aber alles Tun und Machen und sich Engagieren – es ist und bleibt nur ein Teil. Die tun etwas, die vier – sie helfen diesem Kranken, ganz konkret. Und zugleich geschieht etwas: Ihm und ihnen widerfährt Heilung und Heil. Weil Gott etwas tut.

Ich erlebe das, wo ich mich zusammen mit anderen engagiere: Wir tun etwas, tun manchmal sehr viel – und zugleich geschieht etwas. An uns und für uns. Gott tut etwas für uns. Ich glaube: Bei dem, was wir für andere tun, wirkt Gott mit. Und dann geschieht etwas. Menschen spüren, was Jesus zusagt: Deine Schuld ist vergeben. Menschen spüren: meine Lähmung, mein „wie versteinert sein“ – das bricht auf. Man muss nicht gleich Löcher in Kirchendecken reißen. Die kleinen Wunder von Gottes Liebe lassen sich an vielen Stellen entdecken. Ich muss nur die Ärmel hochkrempeln, mir Mitstreiter suchen, loslegen und denen helfen, die das selbst nicht können.

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