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Zuneigung
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Zuneigung

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
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Vor Kurzem bin ich in einem Gottesdienst gewesen. So richtig leibhaftig. Ich arbeite in der Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern. Einige hatten ihre Ausbildung abgeschlossen, und so haben wir sie in einem Gottesdienst beauftragt. Das wollten wir nicht online machen.

Gottesdienst nach Corona-Regeln

Darum haben wir uns mit 25 Menschen nach allen Corona-Regeln in einer Kirche getroffen, die für gut 250 Leute Platz hat. Mindestens ein Meter fünfzig haben alle voneinander entfernt gesessen, so als läge da eine Schwimmnudel zwischen ihnen auf der Kirchenbank.

Mich schmerzt das. Ich vermisse die Nähe. Abstand und Nähe, das war auch das Thema im Gottesdienst.  

"Der Unendliche kommt uns Endlichen unendlich nahe"

Eine der spektakulärsten Aussagen des Christentums ist wohl die: Gott, der Ewige, der Schöpfer, hat den Abstand zu uns Menschen von sich aus auf Null reduziert. In Jesus Christus ist er selbst Mensch geworden. Der Unendliche kommt uns Endlichen unendlich nahe. Abstand halten und sich nahe sein, beides zusammen ist schwer, aber nicht unmöglich.

Abstand halten und sich trotzdem nahe sein

Ich hab mich schon öfters dabei erwischt, wie ich mich vor jemandem aus dem gebotenen Abstand heraus ein wenig verneigt habe. „Zu-neigung“ hab ich gedacht, so als würde man das Wort mit einem Bindestrich schreiben.

Zu-neigung: Sich einander zuneigen, das hält den körperlichen Abstand aufrecht und bringt zugleich den Wunsch nach Nähe zum Ausdruck. Ich halte dabei das physical distancing, ein, vermeide aber das social distancing. 

Sich einander zu-neigen, zeigt den Wunsch nach Nähe

Im Gottesdienst haben wir das ausprobiert. Jede und jeder ist an seinem Platz aufgestanden und hat sich umgesehen. Zwei schauen sich freundlich an und neigen sich einander zu. Dann verabschieden sie sich mit den Augen und suchen die Zu-neigung mit anderen.

Ich glaube, Gott hat seine Zu-neigung zu allen Menschen gezeigt, als er in Christus Mensch geworden ist. Klar, die Distanz zwischen Mensch und Gott bleibt erhalten, aber Gott neigt sich uns zu, so sehr es nur geht, respektvoll, freundlich und einladend.

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