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Zum Glück bin ich nicht wie die anderen
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Zum Glück bin ich nicht wie die anderen

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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„Ich bin kein Kirchgänger!“ Wie oft habe ich diesen Satz gehört! Und die Fortsetzung lautete meist: „Die Leute, die in die Kirche gehen, tun am Sonntag so heilig und sind es im Alltag überhaupt nicht.“

Diese Aussage hat mich jedes Mal wieder sprachlos gemacht. Wie soll ich sie verstehen? Als Ausrede? Oder um im Vergleich mit den Kirchgängern besser wegzukommen? Oder ist das Bild von Christen, die in die Kirche gehen, wirklich so schlecht?

In einem kann ich zustimmen: Kirchgänger sind wirklich keine besseren Menschen. Aber denken sie das von sich selbst?

Mir fällt dazu die Geschichte vom Pharisäer und Zöllner ein: Ein Pharisäer betet in der Synagoge und spricht so: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.“  Mich stößt das Gebet ab. Klar kann er Gott danken, für das was ihm im Leben gelungen ist. Aber warum tut er es, indem er andere schlecht macht? Er erhebt sich über sie. Das stößt mich ab: Dieses lieblose Verhalten. Ich kann verstehen, dass es auch andere abstößt, wenn ihnen das Gefühl vermittelt wird, sie als Kirchgänger wären besser als die, die nicht zur Kirche gehen.

Dennoch kommt mir das Verhalten bekannt vor: Dieses ständige Sich Vergleichen. Es scheint uns schon angeboren zu sein. Ehrlich gesagt, auch ich sehe zu, dass ich irgendwie möglichst gut dastehe. Eine möglichst gute Figur mache. Es ist ja wirklich nicht besonders toll, wenn man bei anderen glatt durchfällt. Letztlich geht es um so etwas Wichtiges, wie den Selbstwert. Um die Frage: Was bin ich wert? Bin ich nicht mehr wert als das, was ich leisten kann?

Ausgesprochen schwierig wird es, so verstehe ich diese Beispielgeschichte, wenn wir versuchen, uns dadurch aufzuwerten, dass wir andere abwerten. Irgendwie ist das fast zum beliebten Volkssport geworden. Nach dem Motto: Mach andere schlecht, dann stehst du selber besser da. Werte die ab, die anders sind oder anders leben, dann fühlst du dich gleich etwas besser.
In dieser Geschichte wird auch von einem Zöllner erzählt. Er hat manche Leute betrogen und ihm ist seine Schuld bewusst. Er konnte oder wollte die Augen nicht zum Himmel aufheben. Er schlug an seine Brust und sprach: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Er unterscheidet sich von dem Pharisäer aber genau dadurch, dass er weiß, dass er nicht gut ist: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“
Den Zöllner interessieren die anderen Leute gar nicht. Ihm geht es um sein Verhältnis zu Gott und seinen Nächsten. Er weiß, dass er Fehler gemacht hat. Ihn interessiert nur, wie er selbst sich sieht und wie er vor Gott dasteht: Als Sünder - angewiesen auf Gottes Gnade. Auch der Pharisäer ist angewiesen auf Gottes Gnade; das scheint er im Augenblick vergessen zu haben.
Ich kenne das. Manchmal ziehe ich mein Selbstwertgefühl auch aus Vergleichen. Klar, ich möchte gut abschneiden. Aber ich weiß: Darauf kommt es nicht an. Sondern mich anzunehmen wie ich bin: Dankbar zu sein, für das was gelingt, ohne mich zu erheben. Schuld einzugestehen und um Gnade und Vergebung zu bitten.
Deshalb bin ich sehr froh und dankbar, dass es den Gottesdienst gibt, zu dem ich gehe – wo ich mit allen anderen vor Gott stehe und bitte: Herr, erbarme dich.

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