Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Was hält Familien zusammen?
GettyImages/Pixelfit

Was hält Familien zusammen?

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
Beitrag anhören:

Sprecherin: Ingrid el Sigai

 

Mein Schulfreund Dietmar war gerade auf der Beerdigung seines Onkels. Er hatte den Onkel bestimmt 15 Jahre lang nicht gesehen. Auch Dietmars Eltern haben kaum Kontakt gehabt. Zu unterschiedlich sind die Lebensentwürfe, zu gering das Interesse an Begegnung. Man hat sich auseinandergelebt.

In manchen Familien ist man einander gleichgültig, andere halten trotz Differenzen zusammen

Dietmar findet das schade. In der Familie seiner Frau Kathrin ist das anders. Da gibt es einen guten Zusammenhalt. Bei runden Geburtstagen, Taufen oder Beerdigungen sind alle eingeladen, und alle kommen und sind froh über das Wiedersehen. Woran liegt das? Dietmar und ich überlegen zusammen.

Familie kann toll sein - trotz unterschiedlicher Lebensentwürfe

Auch in Kathrins Familie gibt es unterschiedliche Lebensentwürfe: ein kommunistisch angehauchter Bruder neben einer Cousine, die erfolgreiche Unternehmensberaterin ist, ein homosexueller Onkel und sein Partner, die beide die Ehe altmodisch finden, neben der konservativen Familie, in der die Frau zu Hause bleibt und die Kinder erzieht. Eine egoistische Cousine, die sich ständig in den Vordergrund drängt, neben dem introvertierten Neffen, der nur am Computer zockt. Zündstoff für Konflikte gäbe es auch in Kathrins Familie genug. Trotzdem sind sich irgendwie alle einig: Familie ist toll.

Man muss die anderen Familienmitglieder so annehmen, wie sie sind

Das Rezept scheint zu sein: Ich nehme den anderen so, wie er oder sie ist. Ich sehe über mögliche Verletzungen auch mal hinweg. Zwischendurch eine hitzige Diskussion über Politik, bei der die Positionen aufeinanderprallen. Trotzdem wird zwei Stunden später fröhlich miteinander Wein oder Bier getrunken.

Muss ich alles durchgehen lassen?

Dietmar fragt sich: Ist seine Familie einfach sturer und weniger harmoniebereit? Ich weiß es nicht. Wie oft muss ich mich zurücknehmen, um eine Beziehung aufrechtzuerhalten? Übergehe ich mich nicht selbst, wenn ich dem anderen alles durchgehen lasse?

Petrus fragt Jesus: "Wie oft muss ich meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben?"

Petrus, ein Anhänger von Jesus, stellt eine ähnliche Frage: „Wie oft muss ich meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist siebenmal genug?“ Petrus denkt bestimmt, er ist mit den sieben Mal schon ganz schön großzügig. Jesus aber sieht das anders. Seine Antwort: „Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“ Siebzigmal siebenmal. Das ist echt viel. Das sind 490 Mal.

Eine Aussprache kann helfen

Dietmar und ich diskutieren: Was habe ich davon, so oft über mein Befremden oder meine Verletzung hinwegzusehen? Es gibt Verletzungen in der Familie und auch bei Freundschaften, die so tiefgehen, dass ein Bruch nötig und berechtigt ist. Andererseits: Was bringt es, in schlechten Gefühlen wie Ärger oder Hass zu verharren? Vielleicht ergibt sich eine Aussprache, vielleicht verändert sich was. Vielleicht habe ich mehr davon, wenn der Kontakt weiterbesteht.

Kurz nach unserem Gespräch lädt Dietmar seine fünf Cousins und Cousinen auf ein Wochenende ein. Nicht alle haben Zeit. Aber ein Anfang ist gemacht.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren