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Königliches Zweifler-Gebet
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Königliches Zweifler-Gebet

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Dem preußischen König Friedrich dem Großen wird folgendes Gebet zugeschrieben: „Lieber Gott, falls es dich gibt: Rette meine Seele, wenn ich eine habe.“ Dieses königliche Zweifler-Gebet aus dem 18. Jahrhundert finde ich großartig. Heute denkt man ja, dass früher alle Leute fromm und gläubig waren. Aber Zweifel an Gott und Zweifel an sich selbst gibt es schon länger, vielleicht sogar, seit es Menschen gibt. Jedenfalls beschreibt dieses Gebet die Gemütslage vieler, die heute leben: „Lieber Gott, falls es dich gibt: Rette meine Seele, wenn ich eine habe.“

Viele fragen: Gibt es Gott überhaupt? Oder bin ich doch auf mich allein gestellt? Und: Seele - habe ich so etwas überhaupt? Oder ist es doch nur eine Psyche, für die ich selbst sorge, zur Not mithilfe eines Therapeuten. 
Mit der Frage nach Gott und seiner Seele schlug sich auch der Preußenkönig herum. Und was macht er damit? Er wendet sich mit seinem Zweifel über Gott direkt an Gott: „Lieber Gott, falls es dich gibt: Rette meine Seele, wenn ich eine habe.“ Das wirkt paradox. Wie kann ich mit jemandem sprechen, wenn ich nicht weiß, ob es ihn überhaupt gibt? Aber das ist auch clever. Eine Doppelstrategie. Die sagt: Sollte es Gott nicht geben, dann geht dieser Satz ins Leere, er schadet also auch nicht. Doch sollte es Gott tatsächlich geben, dann sucht man den Kontakt mit ihm. Man weiß ja nie. Wäre doch fatal, wenn es da doch etwas gäbe und man hätte es vernachlässigt. Ich finde: Dieser Satz ist in gewisser Weise auch ehrlich. Denn niemand kann Gott schlüssig beweisen. Das Gegenteil aber auch nicht. Ganz sicher sein kann man sich also nicht. Weder, wenn man glaubt, noch, wenn man nicht glaubt. Zweifel gehören zum Glauben wie der Schatten zum Licht.

„Lieber Gott, falls es dich gibt: Rette meine Seele, wenn ich eine habe.“ In diesem Gebet entdecke ich auch Bescheidenheit. Wer so betet, weiß um seine Grenzen. Weiß um seine Hilfsbedürftigkeit. Zumindest im Ernstfall. Was ist, wenn man aus eigener Kraft nicht mehr weiter weiß? Wenn man mit seinem Latein am Ende ist. Wenn nur noch beten hilft? Dann wünscht sich mancher, der eben noch ganz ohne Gott auskommen wollte, es gäbe doch einen. 

Dann kann das Zweifler-Gebet von König Friedrich ein guter Anfang sein: „Lieber Gott, falls es dich gibt: Rette meine Seele, wenn ich eine habe.“ Es ist ein erster Annäherungsversuch, so zu tun, als gäbe es Gott und als könne man beten. Erste Worte für die eigene Angst. In ihnen schwingt auch eine zaghafte Hoffnung mit: Vielleicht bin ich ja doch nicht verloren, sondern habe noch eine Chance.

Aber was passiert dann? Wenn man einmal entdeckt hat: Ja, es könnte Gott wirklich geben. Und ja: Gott ist ansprechbar, wenn es darauf ankommt. Dann ist Gott ein Teil von meinem Leben geworden. Nicht nur im Ernstfall. Sondern auch an allen anderen Tagen. Dann kann man mit Gott seine alltäglichen Sorgen teilen. Und seine Freude an den vielen schönen Dingen des Lebens. Je intensiver das Leben ist, desto mehr hat man mit Gott zu teilen. Der Zweifel gehört natürlich auch dazu. Mir scheint sogar: Der Glaube wird stärker, wenn er Raum für Zweifel lässt. So wie ein Mensch stärker wird, wenn er sich Zweifel an sich selbst eingestehen kann. 
 

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