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Eigentlich bin ich ganz anders...
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Eigentlich bin ich ganz anders...

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen

„Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm nur so selten dazu.“ Dieser Satz stammt vom Philosophen und Autor Ödön v. Horvath und manchmal spricht er mir aus der Seele. Manchmal sehe ich mich im Spiegel an und wäre gerne braver oder wilder, mutiger oder diplomatischer. Jetzt wäre für so eine Veränderung eine gute Zeit. Die Fastenzeit oder Passionszeit ist seit alters her für Christen eine Zeit der Umkehr. Dabei geht es heute nicht um mein Büßen für Sünden, sondern um meine Neubesinnung auf das, was wirklich zählt im Leben.

„Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur so selten dazu.“ Dieses Zitat von Horvath steht über der Fastenbrief-Aktion des Vereins „Andere Zeiten“. Man kann sich dort Briefe abonnieren - so ganz altmodische, aus Papier, per Post -, und die gehen mit ihren Impulsen, Texten und Anregungen, der Frage nach, was für den Empfänger wichtig ist.

Dahinter steckt die Erkenntnis: Wir haben ja nur dieses eine Leben. Das ist unter Umständen kürzer, als wir dachten, und es macht keinen Sinn so zu leben, als wäre dies hier nur die „Test-Version“. Es gibt keinen zweiten Durchlauf! Und aus christlicher Sicht ist das Leben ein Geschenk, das wir mit Leben füllen dürfen – so wie wir sind.

Warum sollte ich also meine teuren Stiefel schonen, meine Lieblingsbluse nicht jeden Tag tragen oder ängstlich auf meine Sicherheit bedacht sein, während mich das Risiko reizt?
Aber Vorsicht! Es geht nicht um Tollkühnheit oder Gedankenlosigkeit, und auch die Rücksicht sollte ich nicht ganz beiseitelassen. Aber es geht um ein bisschen mehr Leichtsinn - wie der Sänger Tim Bendzko singt: „Du kannst das Leben leicht nehmen, auch wenn es das nicht ist. Brauchst nur ein bisschen Leichtsinn und du kannst sein, wer du willst...“.

Die Zeit vor Ostern kommt da gerade recht: Es wird Frühling, da habe ich wieder mehr Elan für Veränderungen. Es geht ja auch nicht darum, dass ich jetzt aus allem aussteige und mein Leben total umkrempele. Es geht um die kleinen Dinge in meinem Alltag, bei denen ich gemerkt habe: Sie tun mir nicht gut, ich gerate durch sie in eine Sackgasse. Das kann der berühmte Besuch beim Kühlschrank in der Nacht genauso sein, wie eine alte Bekannte, deren negative Sprüche mich immer wieder frustrieren.

Da nutze ich dann die Zeit vor Ostern tatsächlich mal als Zeit der Umkehr. Da bin ich dann einfach mal anders: Ich esse in Ruhe und genussvoll zu Abend - dann kann ich mir den Abstecher zum Kühlschrank sparen. Und heute komme ich dazu, die Bekannte am Telefon zu unterbrechen. Ich sage ihr: „Ich teile deinen Pessimismus nicht und kann ihn auch nicht nachvollziehen. Und ehrlich gesagt, möchte ich ihn mir auch nicht anhören!“

Eigentlich bin ich ganz anders - und heute komme ich dazu und ich stehe auch dazu. Vermutlich werden einige Leute überrascht sein, aber mit denen kann ich ja meine neue Erkenntnis teilen: Ich will dieses Leben leben und sein wie ich bin, weil ich nicht nur an ein Leben nach dem Tod, sondern auch an eines davor glaube.

 

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