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Die Zeit zwischen den Jahren

Die Zeit zwischen den Jahren

Beate Hirt
Ein Beitrag von Beate Hirt, Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim hr, Frankfurt

„Zwischen den Jahren“: eine seltsame und schöne Zwischenzeit ist das gerade, diese Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Zwischen den Jahren: ein bisschen hört sich das an nach „zwischen den Stühlen“. Nach etwas Schwebendem, Unsicheren, das nicht hierhin, nicht dorthin gehört.

Und tatsächlich: Diese Formulierung „Zwischen den Jahren“ stammt aus einer Epoche, als man sich in diesen Wintertagen nicht ganz sicher sein konnte, welches Jahr wir nun eigentlich gerade haben: und zwar aufgrund einer Kalenderreform. Im Oktober 1582 drehte Papst Gregor XIII. den Kalender zehn Tage nach vorne, eine Anpassung an das Sonnenjahr hatte das nötig gemacht. Unser Kalender heißt deswegen seitdem: gregorianischer Kalender, nach eben diesem Papst Gregor. Aber wie das so war damals, in der Zeit der Reformation und konfessionellen Konflikte: Die protestantischen Fürsten wollten bei der neuen päpstlichen Zeitrechnung nicht mitmachen. Viele behielten den alten Kalender bei. Und das noch längere Zeit. Auch das orthodoxe Russland übrigens blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein beim alten Kalender. Die Oktober-Revolution war deswegen nach unserer Zeitrechnung eigentlich eine November-Revolution. Über Jahrhunderte gab es zwei Datumsangaben: eine alte und eine neue. Beim Jahreswechsel wurde der Unterschied besonders krass: Während die einen schon im neuen Jahr angekommen waren, feierten die anderen noch im alten Jahr Weihnachten. In dieser Zeit „zwischen den Jahren“ wurden über Jahrhunderte auch weniger Geschäfte gemacht: nicht zuletzt wegen der Unsicherheit über Termine und Geschäftsjahre.

Heute muss keiner mehr überlegen, ob nun gerade der 30. Dezember oder vielleicht doch schon der 10. Januar ist. In dieser Beziehung haben die Tage nach Weihnachten natürlich für uns ihren Schwebezustand verloren. Aber trotzdem hat diese „Zeit zwischen den Jahren“ etwas von ihrer eigentümlichen Stimmung behalten: Es sind Tage, die irgendwie „zwischen den Zeiten“ liegen. Und es sind für viele nach wie vor Tage, an denen keine großen Geschäfte gemacht werden. Keine Tage, an denen man sich gleich nach Weihnachten wieder ans ordentliche, effiziente Arbeiten macht. Einige fahren in Urlaub. Und noch viel mehr machen einfach zuhause mal das, was im normalen Jahresrhythmus oft zu kurz kommt: lange schlafen, ein gutes Buch lesen, sich mit Freunden treffen. Wenige festgelegte Termine, viel Zeit „in der Schwebe“: Ich genieß das jedenfalls immer sehr. Und ich gebe zu: Ich freu mich auf diese ruhige Zeit „zwischen den Jahren“ fast genauso wie auf die Weihnachtsfeiertage.

Sie hat für mich etwas zutiefst Menschliches - und Biblisches: „Zwischen den Jahren“, das ist ja auch so eine Art Sabbat, siebter Tag am Ende eines Jahres: Nach all der Arbeit des Jahres darf ich ruhen, zurückschauen und Kräfte sammeln für das, was neu anfängt. Die „Zeit zwischen den Jahren“: Für mich ist sie eine geschenkte, eine wunderbare Zeit.

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