Ihr Suchbegriff
Das christliche Abendland
Bildquelle Pixabay

Das christliche Abendland

Martina Patenge
Ein Beitrag von Martina Patenge, Katholische Referentin für Glaubensvertiefung und Spiritualität, Kardinal-Volk-Haus Bingen

Das „christliche Abendland“ ist auf einmal wieder Thema. Erst einmal freue ich mich als Christin darüber. Weil ich bei dem Wort „christliches Abendland“ an viele guten Entwicklungen denke. Tatsächlich sind unsere Staaten im Westen christlich geprägt. Für lange Jahrhunderte hat die christliche Religion in vielen Ländern die Werteordnung bestimmt. Die christlichen Kirchen hatten großen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben. Für manches schäme ich mich als Christin bis heute, weil zu oft scheinbare religiöse Normen missbraucht worden sind. In Wahrheit ging es um Macht und Gier, von Liebe war keine Rede. Ich sehe allerdings auch die guten Seiten christlicher Prägung – und sie wirken bis zu den kirchlichen Sozialeinrichtungen, Hospizen, Schulen, Kindergärten. Diese haben überwiegend einen sehr guten Ruf. Aber es gibt noch viel grundsätzlichere Einflüsse: Vor gut 100 Jahren waren es in Deutschland vor allem christliche Politiker, die die undurchlässige Ständegesellschaft in Frage gestellt haben. Durfte weiterhin die soziale Herkunft aus einer bestimmten sozialen Schicht über Glück oder Unglück im Leben entscheiden? Gott liebt aber jeden Menschen, steht in der Bibel. Und vor allem liebt er die Schwachen. Solche Gedanken über die Würde jedes Menschen, die schon in der Aufklärung formuliert worden sind, haben sich erst langsam durchgesetzt. Die Kirchen waren leider durchaus auch öfter bremsend am Werk.

Menschenwürde, Gleichberechtigung und soziale Unterstützung sind ur-christlich, aber diese Errungenschaften sind zum Glück längst weltlich und sind in aufgeklärten Staaten selbstverständlich. Darüber bin ich sehr froh! Was macht aber dann das „christliche Abendland“ aus? Auf jeden Fall viel mehr als soziale Werte und Nächstenliebe. Das wirklich Entscheidende ist die Frage nach Gott: Die Frage, ob Gott und Religion im Alltag eine Rolle spielt – eine wichtige Rolle. Ob der Glauben an Gott das Leben prägt und beeinflusst, wie ein Mensch denkt und sich verhält, worauf er hofft und was ihm Kraft gibt. Das ist die entscheidende Frage! Es macht einen Unterschied, ob Menschen an Gott glauben oder nicht, ob sie sich darum mühen, ihr Leben nach Gott auszurichten oder nicht. Dabei geht es weniger um ethisches Handeln. Sondern darum: ist der Glaube an Gott das Fundament des Lebens und entwickeln sich daraus Sinn und Ziel? Ich bin froh, vom Gott Jesu Christi erfahren zu haben. Ich bin froh, meinen Glauben leben zu dürfen, der mir Kraft gibt und mich hoffen lässt. In diesem Sinn bin ich sehr froh, im christlichen Abendland zu leben.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren