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Zum Mord an Walter Lübcke
Foto: Andreas Fischer

Zum Mord an Walter Lübcke

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
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Moderator/Moderatorin: Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat in Hessen und bundesweit Entsetzen ausgelöst. Jetzt hat der rechtsextremistische Tatverdächtige gestanden und gesagt: Der Mord sei eine Reaktion auf das gewesen, was Walter Lübcke 2015 über den Umgang mit Geflüchteten gesagt hat. Vorgestern haben 10.000 Menschen vor dem Regierungspräsidium im Kassel für eine tolerante, demokratische und friedliche Region demonstriert. Gedanken dazu im hr1 Zuspruch von Pfarrer Peter Kristen aus Limeshain.

Ein Mann in der S-Bahn verkündet: „Wer so etwas sagt, darf sich doch nicht wundern, wenn er erschossen wird.“ Ich bin schockiert. Meint der das wirklich?

Es geht um die Worte von Walter Lübcke. Der hat vor vier Jahren in Nordhessen bei einer Veranstaltung über eine Unterkunft für Geflüchtete informiert. Er hat damals gesagt: „Da muss man für Werte eintreten. Und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." Es kamen Buhrufe. Walter Lübckes späterer Mörder war auch im Publikum.

Walter Lübcke hat als sein „inneres Geländer“ immer wieder die Orientierung an christlichen Werten wie Nächstenliebe und Wahrhaftigkeit bezeichnet. Deshalb hat er sich für Geflüchtete eingesetzt. Er hat viele Aufnahmeeinrichtungen besucht, in Kassel, in Calden und Hessisch Lichtenau. Und er war stolz auf das, was die Menschen in seinem Regierungspräsidium für Geflüchtete geleistet haben: ein Dach über dem Kopf, Essen und Trinken, persönliche Hilfe und die Chance auf ein Leben ohne Krieg und Gewalt.

Damals schon ist Walter Lübcke beschimpft worden, und er hat Morddrohungen erhalten. Auf die verrohte Sprache ist jetzt eine verrohte Tat gefolgt.

Ein Geländer aus Nächstenliebe und Wahrhaftigkeit. Ich finde, das ist ein starkes Bild. Ein Geländer ist da, wo es gefährlich ist, wo ich Halt brauche und Orientierung auf meinem Weg. Ein Geländer brauche ich nicht nur als Einzelner. Wir als Gesellschaft brauchen gemeinsame Werte, die uns zeigen: „Ey, das geht gar nicht!“

Ein Geländer aus Nächstenliebe und Wahrhaftigkeit. Das gibt Halt, damit unsere freie Gesellschaft nicht der Gleichgültigkeit zum Opfer fällt oder der Gewalt.

Nächstenliebe und Wahrhaftigkeit fangen mit einer respektvollen Sprache an. In der S-Bahn genauso wie im Netz.

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