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Ökumene am Tisch des Herrn
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Ökumene am Tisch des Herrn

Hermann Trusheim
Ein Beitrag von Hermann Trusheim, Evangelischer Schulpfarrer, Hanau
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Feier der Erstkommunion in einer nordhessischen Kleinstadt. Ein festlicher Gottesdienst. Alle gehen nach vorn, um die Kommunion – im evangelischen Sprachgebrauch das Abendmahl -  zu empfangen.

Auch der evangelische Pfarrer, der ein katholisches Patenkind hat, kommt an diesem Festtag mit nach vorn zum Altar. Der katholische Geistliche blickt ihn an, lächelt - ein Augenzwinkern, und reicht ihm die Hostie. Der evangelische Pfarrer zwinkert zurück: katholische Kommunion und evangelisches Abendmahl – das muss nicht trennen.

Nachmittags beim Kaffeetrinken in der Familie ist der katholische Pfarrer dabei. Feiert mit, auch die augenzwinkernde Ökumene, für die es keine offizielle Erlaubnis gibt.

Ich denke, was da geschehen ist, ist kein Einzelfall, und das ist gut so. Ich habe mich sehr gefreut, als eine Empfehlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz bekannt wurde: In Einzelfällen dürfen evangelische Christen zur katholischen Kommunion zugelassen werden. Dabei wird seelsorgerlich an Ehepaare gedacht, wo ein Teil katholisch, der andere evangelisch ist. So dürfen beide gemeinsam zum Tisch des Herrn kommen.

Wir haben viele Freunde, die das betrifft. Für die wäre das ein Segen, wenn ökumenisch geführte Ehen nicht vor dem Tisch des Herrn enden.

Aber keine Neuerung ohne Bedenken. Sieben katholische Bischöfe haben sich gegen diese Empfehlung gestellt, und das in einem Brief nach Rom formuliert. Sie befürchten, dass die katholische Lehre zur Eucharistie Schaden erleidet, wenn evangelische Christen teilnehmen. Dies gelte besonders dann, wenn mit einer solchen Regelung für Deutschland die Einheit der weltweiten katholischen Kirche infrage gestellt werde.

In der Tat, nach offizieller katholischer Lehre sind evangelische Christen von der Eucharistie ausgeschlossen, es sei denn, sie befinden sich in Todesgefahr oder einer schweren Notlage. Ob eine konfessionsverschiedene Ehe eine schwere Notlage ist?

Die evangelische Kirche jedenfalls erlaubt katholischen Christen die Teilnahme am evangelischen Abendmahl und hat auch kein Problem damit, wenn evangelische Christen die Eucharistie empfangen.

Warum endet die Ökumene am Tisch des Herrn? Was macht es so schwer, gerade hier den gemeinsamen Glauben zu feiern?

Ich denke, ein Blick zurück – wie alles begann – kann weiterführen.

Da sitzen sie. Alle an einem Tisch. Tisch des Herrn wird er erst später genannt werden. Einstweilen ist es ein einfacher Tisch in einem Gasthof in Jerusalem. Sie feiern Passah – Jesus und seine Freunde. Wenn ich die Texte in den Evangelien lese, finde ich keine Zulassungsbeschränkung zu dieser Feier. Klar – Passah ist ein jüdisches Fest, und Jesus und seine Freunde sind Juden.

Aber innerhalb des Judentums gab es zur Zeit Jesu ganz verschiedene Gruppierungen, die sich auch nicht in Allem einig waren. In einem natürlich schon: Im Glauben an den einen Gott Israels, der seinem Volk beisteht und es retten wird. Aber wie das genau geschieht, darüber gab es ganz unterschiedliche Vorstellungen.

Das spiegelt sich bei den Freunden Jesu wider: Da gab es welche, die waren früher mit Johannes dem Täufer unterwegs, der die Buße predigte. Einige Jünger stammten wohl aus den Kreisen der Pharisäer, die sehr auf Gesetze und Reinheitsgebote achteten. Sogar Anhänger radikaler Gruppierungen wie der Zeloten, die das Reich Gottes nötigenfalls mit Gewalt durchsetzen wollten, gehörten wohl dazu, vielleicht war Judas einer von ihnen.

Sie alle lässt Jesus an seinen Tisch, er ruft sie in seine Gemeinschaft. Alle sind willkommen. Jeder entscheidet selbst, ob er teilnehmen will.

Das macht für mich die Gemeinschaft am Tisch Jesu aus: Alle sind eingeladen, akzeptiert. Jesus bietet jedem an, Teil seiner Gemeinschaft zu sein. Zu dem Angebot gehört, Jesus als den Weg zu Gott anzuerkennen, seine Worte als Wahrheit zu nehmen, in ihm das Leben zu entdecken, das über den Tod hinaus geht. So hat er es selbst gesagt.

Das ist für mich der Weg der Ökumene zum Tisch des Herrn: So unterschiedlich die Gruppierungen im Christentum auch sind, im Glauben an Gott sind wir eins, gehören wir zusammen.

An die Gegenwart Christi im Abendmahl und in der Eucharistie glauben evangelische und katholische Christen. Jesus hat gesagt ‚Wo zwei oder drei von euch versammelt sind, da bin ich mitten unter euch.‘ – Wie das genau sein kann, bleibt offen. ‚Geheimnis des Glaubens‘ wird in der katholischen Liturgie gesungen, das finde ich dafür einen angemessenen Ausdruck.

Alle Versuche, den Glauben genau in Worte und Vorstellungen auszudrücken oder gar einzufangen, müssen Stückwerk bleiben. Da gibt es die Gefahr, Gott selbst Glaubensvorschriften zu machen.

Umso wichtiger ist es, sich gegenseitig in der Verschiedenheit zu akzeptieren. Für mich ist dies der entscheidende Schritt der Ökumene.

Das bedeutet zuallererst, dass die Kirchen der Reformation von der katholischen Seite als vollwertige Kirchen anerkannt werden. Jesus hat niemandem in seiner Tischgemeinschaft die Zugehörigkeit zum Volk Gottes abgesprochen – ich finde, damit setzt er den Maßstab auch für uns.

Dass Katholiken und Protestanten heute 500 Jahre Geschichte unterscheiden hat gute Gründe. Es ist aber kein Anlass, sich nicht gegenseitig als Teil der Gemeinschaft der Heiligen zu akzeptieren.

Kardinal Marx hat den sieben protestierenden Bischöfen, die Angst vor einer ‚Protestantisierung‘ der katholischen Kirche haben, geantwortet: Die Kirche soll für die Menschen da sein, auf ihre Bedürfnisse eingehen. 

Der Gemeinschaft am Tisch des Herrn kommen wir näher, wenn wir uns an einen Tisch setzen. So habe ich das auch erlebt.

In meiner Gemeindepfarrstelle fing das damit an, dass mich mein Hausarzt Rudi angesprochen hat: ‚Lass‘ uns Ökumene machen‘. Rudi ist katholisch und in der katholischen Gemeinde aktiv. Er ist nicht nur Arzt, sondern auch Musiker. Schon bald hatten wir die ‚ÖKU-Band‘ gegründet. Evangelische und katholische Christen machen zusammen Musik.

Unseren ersten Auftritt hatten wir an Christi Himmelfahrt. ‚Kirche unterwegs‘ haben wir das Projekt genannt. Christen beider Konfessionen machen sich auf den Weg durch die Gemeinden und feiern gemeinsam. Einen ökumenischen Gottesdienst und ein Fest unter dem Himmel, der uns vereint.

Daraus erwuchs über die Jahre mehr Gemeinschaft und Zusammenarbeit. Zwischen den Geistlichen beider Konfessionen und den Gemeinden: Zum Beispiel im ökumenischen Bibelkreis. Wir lesen gemeinsam in der Bibel. Es bereichert uns, wenn wir uns austauschen, mit welchem unterschiedlichen Blick jeder den Text wahrnimmt. Gemeinsam verstehen wir die Texte besser und lernen uns immer besser kennen. Es wird gelacht, viel erzählt, manche Fragen bleiben auch offen.

Inzwischen gehört auch ein ökumenischer Gottesdienst zum Neuen Jahr ebenso zum Kalender der Gemeinden wie Vortragsreihen zu Glaubensthemen.

Ich denke, solche Entwicklungen gibt es an vielen Orten, oder sie sind an vielen Orten möglich, wenn sich Christen gemeinsam auf den Weg machen. Gegenseitige Akzeptanz entsteht dann durch das Wirken des Geistes Jesu wie von allein.

So kommen wir der Ökumene am Tisch des Herrn näher. Sie sollte nicht nur augenzwinkernd für einen Augenblick, sondern grundsätzlich möglich sein.

Und wer die ÖKU-Band im ihrem zwanzigsten Jahr live erleben will, ist herzlich eingeladen an Christi Himmelfahrt nach Bruchköbel.

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