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Michaelstag

Michaelstag

Ein Beitrag von Janine Knoop-Bauer, Evangelische Pfarrerin, Darmstadt

Das Böse ist Teil unserer Welt. Ich denke, die meisten von uns würden das bestätigen. Das Böse gehört zum Leben. Auch wenn wir es nicht am eigenen Leib und der eigenen Seele erfahren, so hören wir doch täglich von seiner Existenz. Das Böse zeigt sich immer wieder. Manchmal auf unfassbar schreckliche Weise.

So zum Beispiel heute vor fünfundsiebzig Jahren in Kiew in der Schlucht Babi Jar. Die deutsche Armee nahm die Stadt ein. Wenig später beschlossen der Ortskommandant mit der SS und Wehrmacht, alle noch in der Stadt verbliebenen jüdischen Einwohner zu erschießen. Frauen, Männer, Kinder. Es waren mehr als dreiunddreißigtausend Menschen. Sie mussten sich registrieren lassen, alle Wertgegenstände abgeben und sich auf einen Fußmarsch machen, durch den Wald. In der Schlucht Babi Jar wurden sie erschossen. Alle. Es dauerte bis zum nächsten Tag. Dann wurden Teile der Schlucht abgesprengt und die Leichen unter dem Geröll verscharrt. In den folgenden Kriegsjahren wurde die Schlucht Babi Jar immer wieder als Massengrab genutzt. Man geht davon aus, dass über einhunderttausend Menschen dort ermordet wurden. Da zeigte sich das Böse in der Tat von Menschen, die unfassbar Böses taten.

Heute, am neunundzwanzigsten September ist der Jahrestag dieser schlimmsten Verbrechen. Der neunundzwanzigste September war und ist seit Jahrhunderten auch ein kirchlicher Gedenktag: der Tag des Erzengels Michael. Alle christlichen Kirchen begehen diesen Michaelstag als Gedenktag für diesen starken Boten Gottes. Der Engel Michael hat nichts mit den niedlichen Darstellungen zu tun, die es von Engeln gibt. Er ist ein Krieger, ein Kämpfer gegen das Böse. Der Prophet Johannes erzählt vom Engel Michael in seiner Offenbarung, das ist das letzte Buch der christlichen Bibel. Johannes stellt sich das Böse als einen Drachen vor, der von den Menschen Besitz ergreift und sie verführt. Am Ende der Zeit aber wird die Macht des Bösen gebrochen werden. Der Engel Michael kämpft gegen das Untier und besiegt es für alle Zeit. Das Böse endet.

Ich bin froh, dass es im christlichen Glauben Platz gibt für Gestalten wie den Erzengel Michael. Gerade angesichts des Bösen in der Welt. Gerade an Tagen, an denen man sich daran erinnert, wie grausam Menschen sein können. Der Glaube an die Kraft, die von diesen Gestalten ausgeht, bewahrt mich davor zu resignieren. Ja, das Böse ist Teil dieser Welt und es begegnet mir täglich. Ich weiß von seiner Existenz und spüre: Ich kann es alleine nicht besiegen. Aber ich kann das meine dafür tun, dass es nicht stärker wird. Ich kann versuchen, so zu leben, dass von mir nichts Böses ausgeht. Ich kann etwas dafür tun, weil ich darauf vertraue, dass Gott das Seine tut, das Böse am Ende der Zeit ganz zu vernichten. Der Erzengel Michael erinnert mich daran.

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