Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Kennen Sie das Jante-Gesetz?
Bildquelle Pixabay

Kennen Sie das Jante-Gesetz?

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
Beitrag anhören:

Kennen Sie das Jante-Gesetz? Jante ist der Name einer dänischen Kleinstadt, die sich der Autor Aksel Sandemose ausgedacht hat. Dort lässt er den Jungen Espen Arnakke heranwachsen. Das Jante-Gesetz ist hart und böse, es hat zehn Gebote. Das erste lautet: Du sollst nicht glauben, dass du etwas Besonderes bist. Das zweite und dritte verschärfen das noch: Du sollst nicht glauben, dass du uns ebenbürtig bist. Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir. Man merkt schon: Es geht um Anpassung, sich ja nicht hervorheben, sich am besten in der Reihe verstecken. Aber es geht im Jante-Gesetz noch weiter: Du sollst dir nicht einbilden, dass du besser bist als wir. Du sollst nicht glauben, dass du mehr weißt als wir. Du sollst nicht glauben, dass du mehr wert bist als wir. Du sollst nicht glauben, dass du zu etwas taugst. So kann man Menschen klein machen, klein halten und mit Angst kontrollieren. Sie zerbrechen. Du sollst nicht über uns lachen. Du sollst nicht glauben, dass sich irgendjemand um dich kümmert. Du sollst nicht glauben, dass du uns etwas beibringen kannst. Die zehn Gebote aus Jante. Sie kommen mir bekannt vor. Ich habe so etwas Ähnliches vor einigen Wochen am Telefon zu hören bekommen, als ich einem Bewerber abgesagt habe: Sie sind nicht von hier, vergessen Sie das nicht und wir kennen hier eine Menge Leute. Der Anrufer wollte mich zurechtweisen, mich einschüchtern, mir klarmachen, wer eigentlich hier das Sagen hat. Ich jedenfalls solle mir nicht zu viel rausnehmen. Die Drohung war deutlich zu hören. Ich musste an das Jante-Gesetz denken. Mir fiel ein, dass es noch ein elftes Gebot, das Strafgesetz in Jante gab: Glaubst du etwa, ich wüsste nichts über dich? Das klingt bedrohlich. Gestern ging der Evangelische Kirchentag zu Ende. Sein Motto: Du siehst mich. Das ist eine andere Sprache, sie macht nicht klein. Gott sieht mich in meiner Eigenart, meiner Würde, meiner Einzigartigkeit. Natürlich auch mit meinen Schattenseiten. Er droht mir nicht wie das Jante-Gesetz, er sieht mich schlicht wie ich bin. Und das ist ein liebevoller Blick.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren