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Kann passieren
Bildquelle: Jason Goh/Pixabay

Kann passieren

Ute Zöllner
Ein Beitrag von Ute Zöllner, Evangelische Pfarrerin i.R., Pastoralpsychologin, Kassel
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Irren ist menschlich, sagt man. Trotzdem kann ein Irrtum aber peinlich werden. Die Geschichte von Mia und Anna erzählt davon. Mia schaut nicht richtig hin und macht einen folgenschweren Fehler.

Sie geht in ein Schnellrestaurant und bestellt sich einen Hamburger mit Pommes Frites. Das Restaurant ist voll, viele Plätze sind belegt. Deswegen legt sie ihre Jacke schon mal auf einem Stuhl ab.

Sie stellt sich am Tresen an und wartet bis ihr Essenfertig ist. Schnell zapft sie sich noch einen Orangensaft, greift nach einer Serviette und legt alles auf ihr Tablett. Damit balanciert Mia zwischen den Tischreihen hindurch und stellt es schließlich auf einem der Tische ab. „Wie dumm von mir“, sagt sie zu sich, „ich habe Messer und Gabel vergessen.“ Sie muss wieder zurück und holt sich das Besteck. Als sie an ihren Platz zurückkommt, stellt sie fest, dass eine andere Frau, Anna, genüsslich ihren Hamburger verspeist.
„Das gibt es doch nicht“, faucht sie diese an. „Lassen sie sofort mein Essen in Ruhe!“ Sie nimmt ihre Gabel und spießt einige von den Pommes Frites auf. Anna bleibt ganz ruhig, beißt aber noch einmal kräftig in den Hamburger. Dann steht sie auf, holt eine Tasse Kaffee, stellt sie Mia hin und wünscht ihr noch einen schönen Tag. So verlässt sie das Lokal. Verblüfft schaut Anna ihr hinterher. Als sie selber gehen will, vermisst sie plötzlich ihre Jacke. „Hat sie die also auch mitgenommen,“ schimpft sie vor sich hin. „Hätte ich es mir doch gleich denken können!“ Sie steht auf, sieht sich aber, während sie sich erhebt, noch einmal um. Wie angewurzelt bleibt sie stehen: Sie hat ihre Jacke auf dem Stuhl am Nachbartisch entdeckt. Dann steht da noch ein Tablett mit einem Hamburger und einem Becher Orangensaft, beides unangetastet. Sie holt Luft und wird rot.   

Irren ist menschlich, kann aber peinlich werden. Ein Moment länger hinzuschauen – das hätte schon gereicht.
Die Bibel überliefert das Bild vom Splitter im Auge des anderen und dem Balken im eigenen Auge.  „Jesus sagt: Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“
Er empfiehlt, andere und sich selbst mit offenen Augen wahrzunehmen. Denn offene Augen unterstellen dem anderen erst einmal gute Absichten. Und sie lassen erkennen, was man selber gerne ausblendet.

Am besten fange ich bei mir selber an, wenn ich etwas zu bemängeln habe. Und ich frage nach meinem Anteil bei Konflikten. Den Balken im eigenen Auge zu entdecken kann heilsam sein.

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