Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Haltestelle Advent
Bild: pixabay

Haltestelle Advent

Marcus Vogler
Ein Beitrag von Marcus Vogler, Leitender katholischer Pfarrer der Pfarrei St. Bonifatius Amöneburger Land
Beitrag anhören:

Ich warte nicht gerne. Weder beim Arzt noch an der Kasse im Supermarkt oder an der Bushaltestelle. Irgendwie habe ich immer das Gefühl in mir: Es müsste doch jetzt mal vorangehen. Was könnte ich in dieser Zeit schon alles erledigt haben. Es nutzt auch nichts, wenn ich ständig auf die Uhr schaue, von einem Bein ungeduldig auf das andere wippe oder schlechte Laune verbreite. Ich kann dadurch nichts beschleunigen. Ich muss warten, und zwar so lange, bis sich der Stau auflöst, der langersehnte Bus endlich kommt oder ich beim Arzt an der Reihe bin. Dann kann ich mich wieder den Dingen widmen, die als nächstes dran sind.

Warten ist nicht schön, aber manchmal heilsam. Ich spüre beim Warten: Ich habe nicht alles in der Hand. Ich bin auf andere angewiesen. Und hin und wieder mache ich die Erfahrung, wie das Warten mich innerlich auch gelassener werden lässt. Ganz nach dem Motto: "Abwarten und Tee trinken!" Du kannst es jetzt nicht ändern. Nutze die Zeit, atme tief durch und entschleunige. Das ist gar nicht so leicht, aber ich kann es lernen und mich in diese Haltung einüben.

Dabei hilft mir die Adventszeit, die gestern begonnen hat. Eine Wartezeit ganz anderer Art! Gemeint sind die 4 Wochen vor Weihnachten, in denen sich Christen auf die Geburt Jesu, den Sohn Gottes vorbereiten. Gott kommt in der Welt an. Nichts anderes bedeutet das lateinische Wort "adventus": Ankunft.

Der Advent ist für mich eine von Gott geschenkte Haltestelle, in der ER mich zum Warten einlädt. Dieses Warten ist allerdings anders gemeint als das untätige und lästige Warten an einer Bushaltestelle. Im Advent soll ich die Zeit des Wartens nicht einfach untätig über mich ergehen lassen, weil ich ja wie beim Warten im normalen Leben sowieso nichts anderes tun kann. Im Gegenteil: Der Advent ist für mich eine Haltestelle, an der ich meinen Alltag ganz bewusst entschleunige und das Warten auf Weihnachten gestalte. Mir hilft es, wenn ich z. B. in diesen Tagen mein Smartphone immer mal aus der Hand lege. Stattdessen kann ich die Zeit nutzen, um die brennenden Kerzen auf meinem Adventskranz zu betrachten und die Atmosphäre der leuchtenden Flammen auf mich wirken zu lassen. Ich spüre, wie ich dabei innerlich ruhig werde und wie mir die Entschleunigung des Alltags guttut.

Ähnliches erlebe ich, wenn ich mir in diesen Tagen vor Weihnachten die Zeit nehme und ältere und einsame Menschen einfach mal kurz besuche oder mich telefonisch erkundige, wie es ihnen geht. Nicht nur in ihrem Leben wird es für einen Moment heller, auch in meinem eigenen Leben.

Ich bin dankbar für die "Haltestelle" Advent, die mich in diesen hektischen Tagen ruhig werden lässt. Dies geschieht nicht von allein. Aber: Ich kann bewusst die vielen kleinen Haltestellen im Advent ansteuern.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren