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Gute Werke und gute Arbeit

Gute Werke und gute Arbeit

Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

Der Priester hieß Vinzenz von Paul. In einer Sonntagspredigt in seiner südfranzösischen Gemeinde vor rund vierhundert Jahren erzählte er, dass am Rande des Dorfes eine arme Familie wohnt.

Es ist klar – damit fordert er ihn auf: Geht hin und kümmert euch um diese Leute. Und weil der Pfarrer so beliebt war, taten das die Gemeindemitglieder. Viele packten ihre Körbe voll mit nahrhaften Dingen und gingen am nächsten Tag zu der armen Familie. Die freute sich natürlich sehr. „Wie schön, dass ihr an uns denkt und uns helft!“ Endlich hatten sie genügend zu essen. Aber es war nicht genügend. Es war zu viel. Denn viele Menschen auf einmal hatten viel zu essen vorbeigebracht. Es den Spendern wieder zurückzugeben – das ging nicht. So musste ein Großteil des Essens weggeworfen werden.

Vinzenz von Paul sah das und folgerte: Es ist gut, wenn Menschen anderen Menschen helfen. Einfach so, weil ihr Herz ihnen das sagt. Aber es gehört auch dazu, diese Hilfe zu organisieren.

Und so ging er am nächsten Sonntag wieder auf die Kanzel und sagte seinen Leuten: „Es ist gut, dass ihr der armen Familie geholfen habt. Aber ab morgen geht jeden Tag immer nur einer von uns hin und bringt der Familie was zu essen. Du am Montag, du am Dienstag, du am Mittwoch …. und immer so weiter. Dann hat die Familie jeden Tag etwas von unserer Hilfe.“

So taten sie es. Diese Erfahrung ist zur Geburtsstunde der organisierten Nächstenliebe in Frankreich geworden. Das war Mitte des 17. Jahrhunderts und gilt bis heute: Bei der Nächstenliebe verschenke ich nicht nur das Herz. Ich setze auch den Verstand ein. Dazu gehört, nachhaltig zu arbeiten: zum Beispiel einzuschätzen, welche Folgen die Arbeit für alle Beteiligten hat. Und auch: mir der eigenen Grenzen bewusst werden und sie akzeptieren. Niemandem ist damit geholfen, wenn ich mich überschätze und mittendrin aufgeben muss, weil mir die Kompetenzen fehlen und ich die Kraft und die Mittel nicht habe.

Das gilt für das, was ich allein vorhabe: zum Beispiel, wenn ich einer alten, alleinstehenden Frau aus der Nachbarschaft verspreche, mich um sie zu kümmern. Da muss ich wissen, wann es notwendig ist, Ärzte oder eine ambulante Pflege einzuschalten.

Das gilt aber auch für Hilfe, die für viele organisiert werden muss. Nach dem schrecklichen Erdbeben in Nepal reiste eine deutsche Hundestaffel in das Krisengebiet, um Verschüttete zu bergen. Aber immer da, wo sie hinkam, war nichts für sie zu tun. Sie war zur falschen Zeit an falsche Orte geschickt worden. Die Organisationen vor Ort waren nicht darauf vorbereitet, so viel Hilfe von außen auch weiterzugeben. Essen, Kochgeräte, Medikamente und Kleidung wurden nur langsam oder gar nicht verteilt. Einiges von den Spenden wurde vor allem an Verwandte der Beamten und Angehörige der Regierungspartei ausgeliefert.

So was lässt sich nicht immer vermeiden – besser so als gar nichts tun. Am besten ist aber, wenn Herz und Verstand zusammenkommen. Also: Nicht nur gute Werke tun, sondern auch gute Arbeit machen (C. S. Lewis).

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