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Gerechtigkeit ist lebensnotwendig
Bildquelle: Jan Pedersen/Pixabay

Gerechtigkeit ist lebensnotwendig

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Er steht in Hamburg vor Gericht. Mit 93 Jahren. Weil er mit 18 Jahren Wachmann war im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. Er war dort nicht freiwillig. Er war Soldat und wurde dorthin befohlen, Wachmann auf einem der Türme im Lager. Tags oder nachts. Er hat alles miterlebt. Alle Morde, über 5.000, darunter viele Juden. Und wer das Morden überwacht, leistet Beihilfe, sagt das Gesetz (Spiegel-online 22.10.19). Aber: Muss ihm dieser Prozess jetzt wirklich gemacht werden, mit 93 Jahren?

Ja, sagen viele, das muss sein. Gerade jetzt. Zum einen, weil heute wieder gegen Juden gehetzt wird in Halle und anderswo. Unser Land muss Zeichen setzen, dass wir Rechtsradikale nicht dulden, die einen Regierungspräsidenten erschießen. Wir müssen uns wehren. Gegen Verbrechen heute und damals. Damals war nämlich auch Judith im Lager. Das ist der andere Grund: Sie weiß vom Wachmann. Und ist beim Prozess. Ihre Mutter wurde im Lager ermordet. Judith will keine Rache. Sie will Gerechtigkeit. Das sind wir ihr schuldig. Wer tötet oder dabei zusieht, muss zur Rechenschaft gezogen werden, auch wenn es siebzig Jahre her ist.

Gerechtigkeit ist lebensnotwendig, das wissen und fühlen wir. Und sehnen uns auch selber danach. Wer anderen Leid antut oder nur zusieht, verstößt gegen Gesetze und Gottes Gebot: Den Nächsten lieben wie dich selbst. Gott will Gerechtigkeit. Für sie und mich. Weil wir dann aufblühen. Wo wir gerecht sind zueinander, lebt man geborgen. Oft können wir nichts wieder gut machen. Aber gerecht sein können wir. Mit Gottes Hilfe.

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