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Die Raunächte
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Die Raunächte

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Die Zeit zwischen den Jahren nannte man früher die Raunächte. Schon in den vergangenen Jahrhunderten haben viele Menschen zwischen Weihnachten und Dreikönig am 6. Januar nicht gearbeitet. Man saß zusammen und erzählte sich Geschichten, besonders gern Gruselgeschichten. Es gab kein elektrisches Licht. Das machte die Tage und Nächte noch
dunkler und unheimlicher.
Abergläubische Leute sagten, böse Geister würden zwischen den Jahren ihr Unwesen treiben. Vor denen müsse man sich schützen. Zum Beispiel sollte man zwischen Weihnachten und Neujahr keine Wäsche waschen. Denn die Kleidung ist wie eine zweite Haut. In so einer kritischen Zeit braucht man jede Schutzschicht. Deshalb sollte man sich angeblich auch nicht die Haare und Fingernägel schneiden. Die stehen für Lebenskraft, und die hat man auf der Schwelle zwischen altem und neuem Jahr schwer nötig.

Das ist Hokuspokus und Aberglaube. Aber darin steckt eine Wahrheit, die auch die Bibel kennt, nämlich: Übergangszeiten sind Krisenzeiten. Das weiß jeder, der einen Teenager zu Hause hat. Die Spannung zwischen Nicht-mehr-Kind und Noch-nicht-erwachsen ist für alle Beteiligten schwer zu verkraften. Übergangszeiten sind Krisenzeiten. Das weiß, wer umzieht oder den Job wechselt. Das Alte ist noch nicht ganz vorbei. Das Neue ist noch nicht ganz da, und ich weiß nicht: Wird’s besser? Wird’s schlechter?
Was hilft auf der Schwelle zwischen Altem und Neuem? Zunächst, dass ich mir zugestehe, dass ich gerade viel Veränderung zu bewältigen habe und mit meinen Kräften haushalten muss, also nicht alles auf einmal von mir verlangen kann. Mir hilft, wenn ich mich ab und zu zurückziehen und besinnen kann. Zum Beispiel, wenn ich mir vor dem umtriebigen Silvester zwei ruhigere Tage gönne.

In der Bibel steht ein besonderer Segen für den Übergang: „Gott behüte dich vor allem Übel, erbehüte deine Seele. Gott behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.“    

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