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Bereit für die Gegenwart
Bild: medio.tv/Socher

Bereit für die Gegenwart

Till Martin Wisseler
Ein Beitrag von Till Martin Wisseler, Evangelischer Pfarrer, Langenselbold
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Was ich in der Vergangenheit erlebt habe, kann ich nicht mehr verändern. Die einzige Zeit, die ich gestalten kann, ist die Gegenwart. Das habe ich kurz vor Beginn der Corona-Zeit erlebt.

Eine Anmeldung fehlt

Eine 5-tägige Konfirmandenfreizeit steht bevor. Fast alle Anmeldungen sind da, nur eine fehlt. Vergessen, denke ich. Also habe ich bei der Familie angerufen. "Nein", sagen sie, "wir haben es nicht vergessen; unser Sohn wird nicht mitfahren. Zu groß ist sein Heimweh, bisher hat er alle Klassenfahrten abgebrochen".

X-mal gescheitert

Der Junge schämt sich dafür. Und seine Eltern auch; deswegen haben sie ihn gar nicht erst angemeldet. Die Erfahrungen der Vergangenheit waren riesig: X Klassenfahrten, x-mal abgebrochen, x-mal ein persönliches Scheitern erlebt.

Zugleich sind da aber auch die Sehnsucht und der Wunsch, es möge doch endlich einmal anders werden!

Hilfe in Sicht

Als der Wunsch ausgesprochen ist, machen sich alle Gedanken, damit es vielleicht doch einmal klappt: Wir beschließen: Er kommt definitiv mit einem guten und echten Freund aufs Zimmer; von meinem Telefon aus kann er zu Hause anrufen; wir stellen ihm das Programm genauer vor, damit er weiß, was ihn erwartet.

Nochmal Energie investieren

Für die Eltern wäre es gewiss einfacher, direkt abzusagen: Zeit gespart, Nerven und Geld auch. Trotz aller Enttäuschungen und Scham investieren sie noch einmal viel Energie. Am Morgen der Abfahrt steht er da, der junge Mann, bereit für die Gegenwart.

Mitdenken und helfen- das ist Liebe

Es sind fünf Tage geworden – mit Tränen und auch mit Freude. Das erste Mal alleine unterwegs, bis zum Schluss. Was für eine tolle Erfahrung! Ich denke an die Eltern und finde: Es gibt keine größere Liebe als wenn Menschen Kraft und Nerven für andere verschenken - immer wieder (vgl. Neues Testament, Johannes-Evangelium, Kapitel 15, Vers 13). Mitdenken und helfen, dass ein Mensch frei wird von seiner Angst – das ist Liebe. Und macht die Gegenwart lebenswert.

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