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Vorfreude ist die kleine Schwester der Hoffnung
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Vorfreude ist die kleine Schwester der Hoffnung

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

Ende Februar brauche ich sie besonders dringend: Die Vorfreude. Das kann die Vorfreude auf den nächsten Urlaub sein, auf den nächsten sonnigen Tag, auf irgendetwas, das mir gut tut. Es zieht sich ja doch noch mit dem Winter, zu wenig Sonne, zu wenig Wärme – und dann noch eine Erkältung, die sich hinzieht. Mich zieht das manchmal gefühlsmäßig in den Keller.

Wenn da nicht die Vorfreude wäre: Zwei Wochen an einem See in Italien, baden, wandern, ein bisschen Kultur, gut essen. Da kann es jetzt noch so trüb sein, morgen am Montag wieder zu früh der Wecker klingeln: Die Freude auf den Sommer wird mich durch diese letzten Winterwochen bringen. Und dann gibt es noch die kleine Vorfreude: Freuen sich nicht viele schon am Montag auf das nächste Wochenende? Oder am Mittag auf den Feierabend? Oder beim Saubermachen und Kinder betüdeln auf das ruhige Glas Wein am Ende des Tages?

Die Vorfreude ist die kleine Schwester der Hoffnung. Sie sagt uns, dass die lästigen Momente des Lebens nicht alles sind. Vorfreude weckt sozusagen die Hoffnung auf glückliche Zeiten. Wenn ich mich auf etwas freue, bekomme ich Kraft zum Durchhalten. Es wird schon. Vielleicht lächle ich sogar ein bisschen. Und halte durch, auch wenn es gerade wirklich nicht lustig ist.

Man könnte sagen, das bildest du dir nur ein. Hilft doch eh nicht. Aber da sage nicht nur ich: falsch, völlig falsch. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen. Der Gefühlszustand Hoffnung wird in unserem Gehirn durch den Botenstoff Dopamin gesteuert. Wenn zu erwarten ist, dass uns etwas gut tun wird, dann ermuntert uns unser Gehirn, weiter in diese Richtung zu gehen. Es belohnt uns mit Wohlgefühl.

Eigentlich weiß man es schon immer. Sprichworte wie dieses kennt doch jeder: „Nach dem Regen folgt der Sonnenschein.“ Und auch der Glaube lehrt, zu hoffen. Paulus schreibt in der Bibel: Am Ende bleiben: Glaube, Hoffnung, Liebe. (1. Kor 13,13) Ich habe mal auf einem Flohmarkt ein uraltes Stickbild mit diesen Worten gekauft. Mit goldenen und silbernen Perlen hat jemand darauf gestickt: „Glaube bringet Gottes Segen, Liebe Glück auf allen Wegen, Hoffnung Trost in jeder Not.“ Das Bild hängt schön gerahmt bei mir im Flur. Die glänzenden Perlen zeigen mir jeden Tag, worum es geht: den Lichtblick und Hoffnungsschimmer im oft grauen Alltag.

Die Hoffnung gehört zu unseren menschlichen Fähigkeiten, sie hilft uns, das Leben zu meistern. Viele haben ja eher Befürchtungen als Hoffnung, wenn sie an die Probleme der Welt denken. Nicht zuletzt angesichts von Ratlosigkeit sagt der Volksmund wie aus Trotz: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Wir brauchen Hoffnung, um uns in der Welt nicht ausgeliefert zu fühlen. Hoffnungsvolle Menschen haben mit dazu beigetragen, dass auf der Welt mehr Ziele erreicht, mehr Probleme gelöst und mehr Hindernisse überwunden wurden, weil sie eben nicht aufgegeben haben.

Auch persönlich kann man das erleben. Ich hatte vor drei Jahren einen schweren Unfall, bei dem auch Nerven im Bein verletzt wurden. Zwei Jahre, sagten die Ärzte, dann wird es wieder. Ich freute mich über jeden Tag, der einigermaßen gut war. Und über jede kleine Beweglichkeit, die ich mir zurück erobert hatte. Meine Hoffnung war, dass mit Geduld nach zwei Jahren alles wieder gut sein würde. Aber ich hatte auch nach dieser Heilungszeit immerzu Schmerzen. Die Ärzte sagten nach Abschluss aller Untersuchungen: „Damit müssen Sie jetzt leben.“ Ich war total nieder gedrückt. Mein Gott, dachte ich, so oft predige ich Hoffnung und Gottvertrauen. Bitte schenke du auch mir jetzt wieder die Kraft, die ich brauche.

Es war die Hoffnung von meinem Stickbild im Flur an der Wand, die mich irgendwie trug. Glaube, Liebe Hoffnung. In der Bibel geht es ja darum, wie man leben kann. Gerade, wenn es schwer ist. Der Apostel Paulus hat gesagt, man soll hoffen, selbst da, wo man keine Hoffnung sieht (Röm 8,25). Gerade wenn etwas schiefgeht, wenn man am Boden liegt und am liebsten aufgeben würde, dann braucht man die Hoffnung.

Es war der gute Rat eines Arztes, der mir wieder Hoffnung gab. Ich sollte erneut eine Physiotherapie machen, er verschrieb mir eine besonders intensive Form. Bei mir kam so etwas wie Kampfeswillen auf. Nicht aufgeben. Ich wollte lernen, mit dem Schmerz zu leben. Und es wuchs so in mir die Kraft, das Beste aus dieser Situation zu machen. Ich kann heute wieder ein bisschen Sport machen und habe weniger Schmerzen. Und es stimmte: Hoffnung kann manchmal von außen kommen. Sie führt dazu, dass man sich nicht aufgibt, sondern Neues versucht.

Für mich hat meine Hoffnung etwas mit meinem Glauben zu tun. Es reicht mir nicht, ein optimistischer Mensch zu sein. Natürlich kann man auch positiv denken, ohne christlich zu sein. Im Alltag macht es vielleicht auch keinen Unterschied, warum jemand sich freuen kann auf etwas Schönes, das ihm hilft, das leidige Pflichtprogramm durchzustehen. Kritisch wird es, wenn man keinen Grund mehr sieht, sich auf etwas zu freuen. Wo nichts mehr besser wird. Wenn eine Beziehung komplett in die Brüche gegangen ist. Wenn ein Geschäftsvorhaben gescheitert ist. Und erst recht, wenn man auf den Tod zugeht.

Die Wochen vor dem Osterfest erinnern an den Leidensweg von Jesus. Jesus, der so vielen Menschen Gutes getan hat, ihnen freundlich begegnete, sie heilte, Jesus konnte – und wollte – dem schrecklichen Tod am Kreuz nicht ausweichen, zu dem die Römer ihn verurteilt hatten.

Wie sieht es mit der Hoffnung denn aus in schweren und schlimmen Zeiten? Der Apostel Paulus hat das Leben Jesu sehr genau gekannt, auch wie er gelitten hat und gestorben ist. Paulus war völlig klar: Jedes Leben geht auf den Tod zu. Vielen Menschen widerfährt bitteres Leid. Und doch hat Paulus die Hoffnung hoch gehalten. Er sagt: Man soll hoffen, selbst „da, wo nichts zu hoffen ist“. (Röm 4,18).

Paulus war weder wirklichkeitsfremd noch unlogisch. Er glaubte daran, was die Jüngerinnen an Ostern erzählt hatten, als sie Jesus im Grab gesucht hatten. Das Grab war leer. Jesus war auferstanden. Viele seiner Begleiter machten die Erfahrung, dass Jesus ihnen nahe gekommen war, auch nach seinem Tod am Kreuz. Sie nannten diese Erfahrung Auferstehung. Sie gewannen daraus neue Kraft. Ihr Leben bekam einen Sinn, der alle menschlichen Maßstäbe übertrifft.

Sie haben erlebt: Es befreit, wenn man nicht nur Bilanz zieht, was war. Was hat jemand erreicht. Wie erfolgreich war er oder sie. Sie haben gespürt: Die Verbindung zu Gott endet nicht mit dem Tod. Die Geschichte mit Gott und seinen Menschen geht weiter. Ich finde, es ist nicht immer leicht, diese Hoffnung zu haben. Aber sie ist da. Ich versuche, mein Herz zu öffnen für ihre Kraft. Wann immer Schmerz und Leid da sind, nicht aufgeben. Wo immer Menschen leiden, Linderung versuchen und Trost schenken. Und auch im Alltag, mich und andere nicht nur mit menschlichem Maßstab zu messen, der so oft zu Neid oder Ärger führt.

Ich glaube wirklich, die Vorfreude ist die kleine Schwester dieser großen Hoffnung. Das Kleinklein im Alltag zu ertragen – mit einem Lächeln zwischendurch. Die große Hoffnung bleibt, dass Gott einen hindurch führt, wenn es wirklich schwer werden sollte. Die Welt braucht Hoffnung. Wir brauchen Hoffnung. Für uns selbst. Für die Flüchtlinge hier im Land. Für die Kinder, die ihr Leben noch vor sich haben. Damit es mehr Liebe gibt als Gewalt, mehr Hilfe als Zerstörung und Tod. Darauf hoffe ich. Und mein Glaube hilft mir dazu.

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