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Unentdecktes Land, unentdeckter Mensch
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Unentdecktes Land, unentdeckter Mensch

Clemens Weißenberger
Ein Beitrag von Clemens Weißenberger, Katholischer Pastoralreferent, Frankfurt

An einen Spruch meines Erdkundelehrers erinnere ich mich noch, auch wenn der schon Jahrzehnte zurückliegt: „Unentdeckte Regionen auf der Erde gibt es nicht mehr.“ Die Erde ist vollkommen erforscht. Namhafte Geologen und Kartographen widersprechen dem heute. Da sind Wüstengebiete, Hochgebirgslandschaften und weite Flächen am Süd- und Nordpol, die noch nie ein Mensch betreten hat. Je genauer man hinschaut, umso mehr Unbekanntes kann man entdecken, vieles ist noch terra incognita.

Terra incognita. Unentdecktes Land. Daran denke ich auch bei den Menschen, denen ich begegne, und das sind jeden Tag hunderte, alleine in der Schule, in der ich unterrichte. „Unentdeckte Menschen.“ Sozusagen. Trotz allem was wir durch Psychologie, Medizin, Soziologie wissen. Plötzlich verhält sich jemand ganz anders, als man es ihm zugetraut hätte. Das gibt es im Schlechten, gottlob aber auch im Guten: Jedes Jahr ehren wir an meiner Schule beim Abitur Schüler, die seit Beginn der Oberstufe den größten Leistungssprung nach oben gemacht haben. Einer aus meinem Verein hat sogar eine Ehrung bekommen dafür, dass er sich seit 25 Jahren beim Sport um Kinder und Jugendliche kümmert. Und er tut das noch immer mit viel Einsatz

Oft tun Menschen etwas, was man ihnen gar nicht zugetraut hätte. Da kommt schnell die Frage: Was weiß ich wirklich vom anderen? Aber auch: Was weiß ich eigentlich von mir selbst?

Gerade wenn ich am mich denke, fällt mir aus der Bibel ein Psalmwort ein. Auch da wird der Mensch als “unbekanntes Land“ verstanden. Aber das wird entdeckt durch einen Gott, der mich kennt und liebt. Da heißt es, Gott allein kennt den Menschen. Mit allen seinen Fähigkeiten. Aber auch mit allen seinen Abgründen. „Herr, du erforschst mich und du kennst mich“, so beginnt der 139. Psalm. „Ob ich sitze oder stehe, du kennst mich.“ Die Gedanken des Beters faszinieren mich: Egal wo ich bin und was ich tue, egal was ich vorhabe, in welchen Gefahren ich bin, Gott ist bei mir. Und Gott lässt mein Leben gelingen, weil er mir etwas zutraut und mich begleitet. Deswegen sagt der Beter: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“

Ein schöner Gedanke, dass ich für Gott keine terra incognita bin. Sondern ein wunderbares, wenn auch ein - aus menschlicher Sicht - oft nicht durchschaubares Wesen. Aus Träumen und Tränen. Aus Verzweiflung und Hoffnung. Aus Sehnsucht und Schmerz. Aber immer mit Gott.

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