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Thomas von Aquin und die „domini canes“
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Thomas von Aquin und die „domini canes“

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg

Mitten in der Marburger Altstadt, erhaben über der Lahn, thront das Gebäude der Alten Universität. Wer einen Blick hinauf zu ihrem Dach wirft, entdeckt dort bizarr geformte Gestalten: Ein ganzes Sammelsurium von Bestien ist dort zu sehen. Im Stil mittelalterlicher Wasserspeier halten sie das Regenwasser von den Hauswänden ab. Besonders beeindruckend unter ihnen ist ein Grauen erweckender Hund. In Größe und Gestaltung dominiert er alles andere Getier.
Warum sitzt ausgerechnet ein Hund so hervorgehoben auf dem Dach der Hochschule? Das Vorgängergebäude diente bis zur Reformation als Kloster und Kirche der Dominikaner. Der heilige Dominikus hat diesen Orden gegründet. Seine Mitglieder nennt man lateinisch „Dominicani“. Das klingt zum Verwechseln ähnlich wie „Domini canes“. Die beiden Worte „Domini canes“ aber bedeuten übersetzt die „Hunde des Herrn.“
Ein Wortspiel, leicht zu erahnen. Es spöttelt ein wenig über die Dominikaner. Zu deren Aufgaben zählte über Jahrhunderte, Wachhunden gleich, besonders die Reinerhaltung des christlichen Glaubens gegen alle Irrlehren.
Ursprünglich waren die Dominikaner eine Reformbewegung. Sie kritisierten den Umgang der Kirche mit Geld und Besitz. Sie verzichteten darauf. Auch auf große Klosteranlagen und exklusive Gemeinschaften legten sie keinen Wert. Stattdessen wirkten sie in großen Städten und Universitäten. Die erblühten im 13. Jahrhundert in ganz Europa. Sie predigten und wurden Lehrer. Eine wichtige Funktion.
Der berühmteste und einflussreichste Dominikaner lebte in dieser Zeit. Es ist Thomas von Aquin. Heute ist sein Gedenktag. Mit kaum vorstellbarem Fleiß füllte Thomas in den Jahren seines Wirkens etliche Regalmeter mit seinen Büchern. Philosophie und Theologie sind seine Fächer. Philosophisch gelingt es ihm, die antike Lehre des Aristoteles mit dem christlichen Glauben zu verbinden.
Die gotische Architektur tut zur gleichen Zeit dasselbe. Sie ersetzt die monumentalen dicken Kirchenmauern des Mittelalters durch riesige Glasfenster. Genauso lehrt Thomas, dass nicht nur Glaube und Heilige Schrift zu Gott führen. Auch die Wahrnehmungen der menschlichen Sinne schaffen das. Die gotischen Baumeister setzen alle Maße ihrer Bauten in strenge mathematische Bezüge zueinander. Genauso verwendet Thomas in seiner Argumentation konsequent das Gesetz von Ursache und Wirkung für Glaubensfragen.
Für die Zeitgenossen von Thomas war das revolutionär. Für viele Menschen heute klingt es selbstverständlich. Vielleicht ist es mit dem steinernen Hund auf der Universität ähnlich. Mir ist er ein sympathisches Bild für beides. Der Hund ist einerseits Wächter. Zugleich aber begleitet er treu und zuverlässig wie kein anderes Tier, alle, die ihm anvertraut sind, auch in größter Gefahr.

Bewahren u n d bereit sein für Neues: Beides ist wichtig. Ich meine, das zu bedenken, ist Thomas von Aquin heute ein guter Anstoß.

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