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Nicht ärgern, nur wundern
Pixabay/Gregory Sabin

Nicht ärgern, nur wundern

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Sprecherin: Ingrid el Sigai

 

Klaus, ein Freund von mir, ärgert sich ständig. Er kann sich über alles aufregen. Über einen kleinen Stau zum Beispiel. Oder über Autofahrer, die ihn schneiden oder rechts überholen. Klaus kann sich über Handwerker ärgern, die nicht so gründlich arbeiten wie er selbst. Über Medikamente, die seiner Meinung nach nichts bringen. Klaus regt sich auf, wenn er die Zeitung liest oder Nachrichten im Fernsehen sieht.

Ärgern gehört zum Leben dazu

Ich glaube manchmal, Klaus braucht das. Das Ärgern gehört zu seinem Leben. So ganz weit weg bin ich nicht von dieser Haltung. Ich kann mich auch ziemlich gut aufregen. Gerade erst habe ich mich wieder sehr geärgert. Meine Ohrringe waren spurlos verschwunden. Ich habe gedacht: „Sicher hat mein Mann sie weggelegt, oder nein, es war bestimmt meine Tochter oder gar unsere Reinigungshilfe.“ In solchen Fällen verdächtige ich gern andere und schimpfe leise (oder auch laut) vor mich hin.

Die Ohrringe sind schließlich wiederaufgetaucht. Ich hatte sie selbst woanders hingelegt.

Ärgern ist kein gutes Gefühl

Bei Klaus ist das Ärgern allerdings noch existentieller als bei mir. Er fühlt sich durch andere persönlich angegriffen: Der andere Autofahrer ist der persönliche Rivale, der Handwerker will ihn hintergehen. Auch die Politik will ihm persönlich an den Kragen.

Ich wünsche Klaus, dass er sich weniger ärgert. Und ich wünsche es mir selbst auch. Denn Ärger ist kein gutes Gefühl. Er bringt mich auf Dauer nicht weiter. Die Bibel hat einen schlauen Ratschlag dazu:

„Ruhig Blut bringt weiter als ein heißer Kopf. Hör auf, dich zu ärgern; nur Unverständige ärgern sich über alles.“ (Prediger 7, 8b+9)

Nicht ärgern, nur wundern

Mein Vater hat mir früher oft gesagt: „Mein Kind, nicht ärgern, nur wundern.“ Ich fand den Spruch blöd. Mein Vater wollte mich ja nur beschwichtigen. Inzwischen mag ich diesen Ratschlag. Wenn ich mich wundere, dann bin ich neutraler, distanzierter, als wenn ich mich ärgere. Dann stecke ich nicht so tief in der Situation drin, nehme es leichter und weniger persönlich.

Ein Vogelhäuschen für mehr Gelassenheit

Klaus hat per Zufall etwas entdeckt, was ihn gelassener werden lässt. Er hat in seinem Garten eine Vogeltränke und ein Vogelhäuschen mit Futter aufgestellt. Die Vögel fliegen dort aus und ein, picken am Futter, trinken und baden sich. Wenn Klaus sich jetzt über etwas aufregt, setzt er sich zehn Minuten raus und beobachtet die Vögel und freut sich. Danach ist sein Ärger meistens verflattert oder auf ein erträgliches Maß zurechtgepickt. Ein Vogelhäuschen wie ein kleiner göttlicher Wink für mehr Gelassenheit.

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