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Ist Dabeisein wirklich immer alles?
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Ist Dabeisein wirklich immer alles?

Marcus C. Leitschuh
Ein Beitrag von Marcus C. Leitschuh, Katholischer Religionslehrer und Autor, Kassel

„Dabeisein ist alles“. Wenn in diesem Sommer in Tokyo die Olympischen Sommerspielen stattfinden, wird dieser Spruch wieder oft zu hören sein. „Dabeisein ist alles“ drückt unter Sportlerinnen und Sportlern eine Haltung aus: Ich muss nicht auf dem Siegertreppchen stehen. Es reicht, wenn ich die Möglichkeit habe, am Wettbewerb teilzunehmen. Schon diese Tatsache bedeutet, dass ich zu den Besten gehöre. Nach Kräften alles geben und Dabeisein – das zählt bei vielen Wettkämpfen.
Im Bereich des Sports kann ich diesen Spruch gut verstehen. Aber fremd ist mir die Redewendung bei anderen Ereignissen. Vor kurzem sah das Foto eines Weltrekordes in Mexiko. Über 42.000 Menschen sehen ein Tennisspiel live im Stadion. Ohne Fernglas hatten die Zuschauer keine Chance wirklich etwas zu sehen. So atemberaubend die Stimmung in einem riesigen Stadion auch sein mag, nur in der letzten Reihe passiv dabeisitzen und verzweifelt den kleinen Tennisball suchen - das würde mir nicht reichen. Wie wäre es eigentlich mit dem Gegenteil von „Dabeisein ist alles“? „Dabeisein ist nicht alles“ ist ein Slogan im Rahmen von Inklusion, also dem Zusammenleben von Menschen mit oder ohne Behinderung. Inklusion bedeutet nämlich: Die Menschen ernst nehmen, auf ihre unterschiedlichen Bedürfnisse, Beeinträchtigungen und Hilfsbedürftigkeiten eingehen. Es geht nicht einfach nur darum, dass ganz unterschiedliche Menschen in einem Raum sind. Im mexikanischen Tennisstadion hätte das so aussehen können: Jeder bekommt einen Platz, der seinen Bedürfnissen entspricht. Menschen mit Seh- und Hörschwäche ganz vorne. Kinder auf erhöhten Sitzen. Es gäbe noch weitere Beispiele. Einfach nur Dabeisein ist eben nicht alles. Dass Miterleben für möglichst viele Menschen möglich wird, kostet Geld und Kreativität. Und den Willen, dies zu erreichen. Ich finde, es lohnt sich, daran mehr zu denken und dem Denken dann auch Taten folgen zu lassen. - Im großen Tennisstadion und im Alltag um die Ecke.

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