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Isola Bella - humilitas
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Isola Bella - humilitas

Dr. Paul Lang
Ein Beitrag von Dr. Paul Lang, Diakon und Lehrer für Latein, Musik und Religion in Amöneburg
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Zu den wundervollsten Orten, die ich kenne, gehört für mich der Lago Maggiore in Oberitalien. Mit dem Rennrad habe ich ihn schon etliche Male umrundet, im Frühjahr, im Hochsommer, im Herbst. Wenn der blaue Himmel und die Berge sich in seinem Wasser spiegeln, geht mir das Herz auf.

Burgen und Befestigungen, vor allem aber prachtvolle Villen aus unterschiedlichsten Epochen - auch aus der Gegenwart - zeigen, dass dieser See Menschen zu allen Zeiten angezogen hat.

Am Südufer des Lago Maggiore liegen Stadt und Burg Arona. Sie war lange im Besitz der Grafen Borromeo, einer alten, einflussreichen Adelsfamilie. Bis heute ist sie im gegenüberliegenden Bereich des Sees ansässig. Ein bedeutender Familienspross war Carlo Borromeo, ein um Reformen bemühter Kirchenfürst im 16. Jahrhundert. Eine monumentale Statue in Arona zeigt ihn, wie er segnend seine Hand über den See breitet. Anders als andere Adlige, Bischöfe, Kardinäle seiner Zeit, war er durch und durch Seelsorger. An seinem Bischofshof in Mailand gab es etliche caritative Einrichtungen. Sie waren ihrer Zeit weit voraus.

Als 1576 die Pest in Oberitalien ausbrach, koordinierte Carlo Borromeo Hilfs- und Quarantänemaßnahmen. Während die politischen Verantwortungsträger aus der Stadt flohen, organisierte er Pflegepersonal und Pflegeeinrichtungen, kümmerte sich um Medikamente und Ärzte. Er mahnte vor Massenansammlungen und riet zu Kontaktbeschränkungen.

Einige der Inseln im Lago Maggiore gehören bis heute zum Besitz der Familie Borromeo. Vor allem die Isola Bella, die "schöne Insel". Sie ist ein Gesamtkunstwerk aus Architektur und Natur. Vom Ufer aus wirkt sie wie ein monumentales Schiff, das im See vor Anker liegt. Das Schloss, der "Palazzo Borromeo", beherbergt etliche Kunstwerke und Sammlungen. Highlight aber ist die barocke Gartenanlage.

An etlichen Stellen entdeckt der Besucher - in Hecken geschnitten, in geschmiedeten Gittern, in den Händen von Statuen - das lateinische Wort "humilitas". Es ist das Motto der Borromei.

Humilitas übersetzt man im Deutschen gern mit "Demut", etwa im Sinne von "Mut zum Dienen". Für eine der reichsten und mächtigsten Familien ihrer Zeit ein überraschendes Leitwort, finde ich. Humilitas. Der lateinische Begriff stammt vom Wort "humus" - Erdboden. Humilitas meint erdgebunden zu sein, als so etwas wie bodenständig.

Mich macht dieses Motto nachdenklich. Gerade im Urlaub und beim Sport erinnert es mich daran, nicht "abzuheben", sondern eben auf dem Boden zu bleiben. So schön es ist zu verreisen, an Sehnsuchtsorte zu kommen, Schönheit zu genießen - in der Pandemie habe ich wie viele andere erfahren, dass man darauf durchaus verzichten kann.

Was macht mein Leben aus, was zählt wirklich? Solche Fragen stellt mir "humilitas". Auch: Was macht mich aus, wozu bin ich da? Fülle ich meinen Platz aus, in dem ich das tue, was ich am besten kann? Daran erinnert mich auch der mächtige und so bescheidene Carlo Borromeo, der Heilige des Sees.

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