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Ein Schutzanzug gegen Hass und Dummheit

Ein Schutzanzug gegen Hass und Dummheit

Ein Beitrag von Janine Knoop-Bauer, Evangelische Pfarrerin, Darmstadt

Manchmal hätte ich gern einen Schutzanzug. So wie ein Freund, der als Tierarzt Impfstoffe gegen Tierseuchen entwickelt. Bevor er das Labor betritt, benutzt er verschiedene Desinfektionsmittel und muss sich auch jedes Mal Schutzkleidung anziehen. Einen Ganzkörperanzug, Überziehschuhe, Mütze und Mundschutz und natürlich Handschuhe. So schützt er sich gegen die gefährlichen Erreger, mit denen er in Kontakt kommt.

Manchmal fände ich es toll, wenn es auch sonst solche Schutzkleidung gäbe. Denn auch im Alltag komme ich doch oft mit gefährlichen Erregern in Berührung. Ich meine nicht die Viren und Bazillen, die in der Luft umherschwirren oder die man in öffentlichen Toiletten vermutet. Ich meine Haltungen und Gesinnungen anderer Menschen – manchmal auch meine eigenen. Hass zum Beispiel. Auf Facebook oder in den Kommentarspalten der Onlineausgaben von Zeitungen gibt es Hass. Derzeit besonders in Debatten um Menschen, die in Europa Schutz suchen. Dafür gibt es schon ein spezielles Wort „hater“, also übersetzt „Hasser“, eine gängige Bezeichnung für Menschen ist, die auf diesem Wege ihrem Hass freien Lauf lassen.

Aber auch die Dummheit ist ein Erreger, gegen den ich mich gerne schützen würde. Ihm bin ich im Alltag noch viel häufiger ausgesetzt und nicht selten verbreite ich ihn ja auch selbst. Zum Beispiel, wenn ich Gehörtes einfach nachplappere, ohne mich genau informiert zu haben. Das ist gefährlich. Schutzkleidung könnte da gute Dienste leisten.

In einem biblischen Brief aus dem im ersten Jahrhundert nach Christus ist davon so die Rede:“ So zieht nun an (…).herzliches Erbarmen, (…) Demut, Sanftmut, Geduld.“

Das könnte die Schutzkleidung sein, die ich mir wünsche. Sozusagen vier Kleidungsstücke: Herzliches Erbarmen, Demut, Sanftmut und Geduld. Das ist das Gewand gegen Hass und Dummheit.

Als erstes herzliches Erbarmen, ein schönes altes Wort. Jemand, der barmherzig durch die Welt geht, ist nicht so anfällig für den Hass. Wer sich erbarmt, der fühlt mit und handelt. Denn er spürt: Auch ich könnte in Not geraten. Auch ich könnte Hilfe brauchen. Und auch ich möchte in einem solchen Moment jemanden treffen, der nicht nur die Fremde in mir sieht, sondern den Mitmenschen, der Hilfe braucht.

Zum zweiten ist die Demut ein guter Schutz gegen Überheblichkeit, die ja oft mit Dummheit einhergeht. Ich brauche Mut, um skeptisch zu bleiben gegenüber allzu einfachen Antworten. Und weil man gar nicht genug Mut haben kann, gesellt sich als drittes die Sanftmut dazu. Sie macht achtsam und bedacht. Bremst und schützt vor unüberlegten Kurzschlüssen.

Und dann braucht es als Viertes tatsächlich Geduld. Weil es eben oft keine einfachen Antworten gibt. Es gilt vielmehr, nach Lösungen zu forschen. Gemeinsam.

Herzliches Erbarmen, Demut, Sanftmut und Geduld können helfen. Als Schutzanzug gegen Hass und Dummheit.

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