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Die Sache mit dem schönen Tag
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Die Sache mit dem schönen Tag

Patricia Nell
Ein Beitrag von Patricia Nell, Katholische Pastoralreferentin und Religionslehrerin, Frankfurt

An dem Kassenautomat auf dem Parkplatz am Hauptbahnhof sitzt einer auf der Erde und streckt den Reisenden die Hand entgegen. Laut und sehr beflissen erklärt er den Leuten, wie man den Automaten bedient. Und wenn dann ein paar Cent Wechselgeld ins kleine Ausgabefach fallen – dann hofft er auf die Großzügigkeit der Autofahrer. „Nehmen Sie sich die heraus“, sagt dann tatsächlich einer gnädig zu dem mit dem hochroten Gesicht auf der Erde. Der springt auf, tut’s, bedankt sich überschwänglich bei dem Spender und ruft ihm nach: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag“. Ein anderer Autofahrer steht daneben. Der hatte für den Mann keinen Cent übrig gehabt. Aber jetzt schaut er sich die Szene neugierig an. Völlig überraschend wendet sich der gerade Beschenkte zu ihm hin und sagt überfreundlich: „Und Ihnen, Ihnen wünsche ich einen besonders schönen Tag.“ Und das kam nicht ironisch rüber, sondern ganz ehrlich und freundlich.

Das saß! Mir hat’s der Betroffene erzählt. Und auch ich war sprachlos. Mag sein, dass dieser kleine Vorgang am Rande des umtriebigen Alltags eine Art Litanei war, die der Mann nicht nur einmal aufgesagt hat. Mir jedenfalls ging das unter die Haut. Und es hat mich ins Nachdenken gebracht. Wer war denn der Mann mit dem roten Gesicht? Mein Gewissen vielleicht. Diese Stimme will ich keinesfalls überhören. Sie spricht ja auch durch Menschen. Und ganz besonders durch die am Rand der Gesellschaft.

Ich hab mir deshalb vorgenommen, wieder achtsamer durch den Tag zu gehen. Auch beim Weg durch die Stadt, über Bahnhöfe und Parkplätze. Und sie wahrnehmen, die Menschen, die da auf der Erde sitzen. Von denen gibt es ja immer mehr. Immer mehr, die die Hände ausstrecken. Nach ein bisschen Menschlichkeit. Und nach ein paar Cent. Für die nächste Flasche Bier vielleicht. Sei‘s drum. Wenn die das Leben für den Moment ein bisschen erträglicher macht. Wer macht denn sowas nicht? Wer gibt denn nicht hin und wieder Geld aus, um mit irgendetwas mehr oder weniger Sinnlosem einen Lebensschmerz zu betäuben?

Die Menschen, die an Parkplätzen, Bahnhöfen und Fußgängerzonen auf der Erde hocken, drängen sich bisweilen auf. Mit lauten und sehr beflissenen Zwischenrufen halten sie Reisende auf. Und im besten Fall halten die für einen Moment inne. Und besinnen sich. So wie ich, als ich diese Geschichte gehört hab. Damit gelegentlich ein paar Cent Wechselgeld in die ausgestreckten Hände fallen. Und ein bisschen Menschlichkeit.

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