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„Aufbruchsfest“ im Sommer: Petrus und Paulus
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„Aufbruchsfest“ im Sommer: Petrus und Paulus

Stefan Wanske
Ein Beitrag von Stefan Wanske, katholischer Pfarrvikar im Pfarreienverbund Gießen
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Die Natur zeigt sich gerade jetzt im Frühsommer von ihrer schönsten Seite. Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen und das schöne Wetter lockt uns ins Freie.

Seit vielen Jahrhunderten wird der Sommer von den Menschen mit Freudenfeuern begrüßt. Gerade im süddeutschen Raum werden in diesen Tagen wieder die Johannis- und Petersfeuer abgebrannt.

Wahrscheinlich entstanden solche Feuerbräuche aus alten heidnischen Riten, die sich im Laufe der Zeit mit der christlichen Tradition zur Verehrung von Heiligen vermischt haben. Auch bei uns in Hessen gibt es das: In manchen Dörfern, da türmen die Musik- oder Sportvereine schon am Tag vorher Reisig zu einem riesigen Holzstapel auf, der dann bei einem fröhlichen Fest mit Gegrilltem und Musik in Flammen aufgeht. Sehr Mutige nehmen am Schluss, wenn in einen solchen Festtag hineingefeiert wird, beim Feuerspringen teil. Wer den Sprung über die glühenden Kohlen wagt, hat nach alter Überlieferung einen Wunsch für die Zukunft frei.

Heiligengedenktage bleiben bestehen

Viele sommerliche Brauchtumsfeste finden sicher in diesem Jahr „coronabedingt“ ganz anders statt. Aber die Heiligengedenktage selbst, die gibt es natürlich trotzdem:

Anlass für die Johannisfeuer ist das Fest Johannes des Täufers am 24. Juni. Und die Petersfeuer, die haben ihren Namen von dem Apostelfest, das heute Abend anfängt und für morgen im Kirchenkalender steht: Gefeiert werden zwei biblische Heilige: Petrus und Paulus. 

Ich finde, beide passen gut in diese freudig-bewegte Jahreszeit. In dieser Morgenfeier will ich mal dem Fest „Peter und Paul“ nachgehen. Auch die Musik hab ich passend zur Sommerzeit ausgewählt. Sie hören als erstes eine meditative Klavier-Interpretation des Chorals „Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerszeit“ von Andi Weiss.

Musik 1: „Geh aus, mein Herz und suche Freud“; CD: Andi Weiss: Glaubenslieder. Meditative Interpretationen am Klavier, Herder Audio LC 19181, Track 1, 02:36

Auf den Spuren von Petrus und Paulus

Wer als Pilger oder Tourist Rom besucht, der kommt auf den geschichtlichen Spuren des Christentums an Petrus und Paulus nicht vorbei. Auf dem Petersplatz stehen zwei große Marmorstatuen von beiden, vor dem Eingang zum Petersdom, und heißen die vielen Tausend Besucher, die jeden Tag in die imposante Basilika strömen, willkommen. Beide zusammen sind die großen Gestalten des Anfangs und werden deshalb auch „die Apostelfürsten“ genannt. Die Bibel erzählt auf vielen Seiten davon, wie die beiden ganz entscheidend zum geschichtlichen Erfolg des Christentums beigetragen haben. Die Archäologen halten es für wahrscheinlich, dass der Petersdom tatsächlich über dem Grab des Petrus errichtet wurde, und die Kirche „Sankt Paul vor den Mauern“ über der letzten Ruhestätte des Paulus. 

Ihre Lebensgeschichten sind in Rom eng miteinander verknüpft. Ihre Wege haben sich oft gekreuzt. Und beide erlitten dort ein ähnliches Martyrium; so wird es überliefert. Die katholische Kirche hat später die Gedenktage der beiden großen Glaubenszeugen zu einem Festtag zusammengefasst.

Die gemeinsame Verehrung hat dann in den späteren Jahrhunderten überall in der Welt Spuren hinterlassen, auch bei uns in Hessen. Schon vor 370 Jahren schreibt der Verleger Matthäus Merian in einem zeitgenössischen Reiseführer:

„Mitten in der Wetterau, dem besten und fruchtbarsten Ort des Landes, zwo Meylen von Franckfurt und eine von Friedberg, ist Ilbenstadt: an der Nidda gelegen, eine reiche Probstey und ein Kloster des Prämonstratenser-Ordens nach der Regel des Heiligen Augustinus.“ – Bis heute prägt der Blick auf die Basilika von Ilbenstadt die Landschaft zwischen den Abhängen des Taunus im Westen und den Vogelsberg-Ausläufern im Osten. Ich mag diese alte romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist den Aposteln Petrus und Paulus geweiht und wird im Volksmund auch „der Dom der Wetterau“ genannt.

Mich fasziniert die Vorstellung, dass Petrus und Paulus seit den frühen Zeiten der Kirche überall in der Welt und quer durch die Geschichte für viele Glaubende mit ihrem Leben inspirierend gewirkt haben. 

Musik 2: Giuseppe Torelli, „Sinfonia con due Trombe G.21 – Allegro“. CD 2/2 „Torelli – Complete Trumpet Concertos. Thomas Hammes / Peter Leiner / European Chamber Soloists / Nicol Matt”, Label Brilliant Classics (92401/2), Track 26, 01:44

Die unterschiedlichen Glaubenswege

Petrus und Paulus, die beiden großen Zeugen des Glaubens, sie waren anscheinend ziemlich verschiedene Typen. Die Glaubenswege, die die beiden gegangen sind, unterschieden sich sehr. Wahrscheinlich konnten sich auch deshalb überall und zu jeder Zeit gläubige Menschen mit ihrer eigenen Lebensgeschichte und ihren Charakteren in den beiden wiederfinden.

Petrus hieß ursprünglich Simon und war Fischer. Er lebte mit seiner Familie am See Genesareth in der Stadt Bethsaida. Die Geschichte, wie er Jesus von Nazareth kennengelernt hat, wird schon im Neuen Testament unterschiedlich erzählt. Immer aber gehört Petrus in der Bibel zu den ersten, die von Jesus zu dessen Jüngern berufen wurden. Jesus gab ihm auch den Namen Petrus: Das bedeutet „Fels“. Der Überlieferung nach spielt dieser Name darauf an, dass er so etwas wie der „Sprecher“ der Apostel war und deshalb später eine besondere Stellung als „Fundament der Kirche“ erhalten sollte.

Nach dem Tod Jesu am Kreuz gehörte Petrus zu den ersten Zeugen der Auferstehung. Er hat wohl auch dafür gesorgt, dass sich der Freundeskreis Jesu bald wieder in Jerusalem sammelte und verkündete, dass Jesus auferstanden ist.

Paulus dagegen stammte aus der Handelsstadt Tarsus in der heutigen Türkei. Sein Vater war dort Zeltmacher, und dieses Handwerk vererbte er auch seinem Sohn. Die Familie hatte das römische Bürgerrecht inne und stand zugleich der frommen jüdischen Bewegung der Pharisäer nahe. Mit Geburtsnamen hieß er Saul. Er wurde streng religiös und kulturbeflissen erzogen. Er hat die meisten, wie er später selbst im Rückblick schreibt, schon in jungen Jahren „in der Treue zum Gesetz übertroffen“ (Galaterbrief Kapitel 1, Vers 14).

Die Jünger und Jüngerinnen Jesu hielt er anfangs für Gotteslästerer und hat sie bis auf den Tod verfolgt (Apostelgeschichte Kapitel 22, Verse 3 f.). Die Apostelgeschichte in der Bibel erzählt davon, dass er genau aus diesem Grund einmal auf dem Weg nach Damaskus war: Um Männer und Frauen aus dem Umfeld Jesu aufzuspüren, festzunehmen und nach Jerusalem zu bringen.

Doch dann nahm sein Leben eine Wende. Er hörte unterwegs eine Stimme: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?" Auf seine Frage, wer es sei, der zu ihm spreche, hörte er die Worte: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ (Apostelgeschichte Kapitel 9, Verse 1-6). Paulus musste erkennen: Er hatte in all seinem Eifer einen falschen Weg eingeschlagen. Nach seinem Damaskuserlebnis wird er mit der Zeit zu einem entschiedenen Verkünder des Glaubens an Jesus. Unermüdlich trägt er auf seinen Reisen die Osterbotschaft rund ums Mittelmeer, diskutiert und lehrt, motiviert und tröstet, und gründet viele Hausgemeinden in den fremden Ländern, die er erreicht.

Die Begegnung Jesus auf unterschiedlicher Weise

Petrus und Paulus sind verschieden: in ihrer Herkunft, in ihrer Bildung und in ihrem Beruf: der galiläische Fischer und der kleinasiatische Intellektuelle. Sie sind auf ganz unterschiedliche Weise Jesus begegnet. Aber sie lassen sich beide begeistern und erzählen auf ihre ganz eigene Weise von der Hoffnung, die sie erfüllt und die sie weitergeben wollen: Ich kann auf selbst auf verschlungenen Lebenswegen Gott vertrauen. 

Eine Musik, die diese Hoffnung für mich froh und mitreißend ausdrückt, stammt von Johann Sebastian Bach. In einem Choral seiner Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ lässt er singen: 

Sei Lob und Preis mit Ehren Gott Vater, Sohn, Heiligem Geist!

Der woll in uns vermehren, was er an Gnaden uns verheißt:

Dass wir ihm fest vertrauen,

Gänzlich uns lassen auf ihn, von Herzen auf ihn bauen!“

Musik 3: Johann Sebastian Bach: Choral „Sei Lob und Preis mit Ehren“ (aus: Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“ BWV 51), CD: „Bach Edition. Cantatas“, Label Brilliant Classics (99377/2), Track 04, 03:51

Von Herzen auf Gott zu bauen, wie es Bachs Choralweise besingt, das haben Petrus und Paulus vorgelebt. Aber auch diese beiden großen Gestalten des Glaubens hatten ihre Schattenseiten. Was die Bibel von ihnen erzählt, das zeigt ein Bild von Menschen, die ganz und gar nicht fehlerfrei waren.

Petrus etwa fällt immer wieder dadurch auf, dass er meistens nur langsam versteht, was Jesus will. Und er begeht im entscheidenden Moment sogar einen Verrat an Jesus. Als Jesus vor Gericht gestellt wurde und Petrus mitbekommt: andere lästern darüber, dass er doch anscheinend mit „dem“ befreundet ist, da sagt er: „Ich weiß nicht, wovon du redest“ und „Ich kenne diesen Menschen nicht!“ – So sieht seine Reaktion aus, als er herausgefordert wird. 

Und Paulus, der hat sich schon immer als ein „Eiferer für Gott“ begriffen. Aber mit diesem Eifer ist er eben anfangs auch gegen die ersten Christengemeinden vorgegangen. „Ihr wisst, wie maßlos ich die Kirche Gottes verfolgte und zu vernichten suchte”, so schreibt er später über diese Zeit (Galaterbrief Kapitel 1, Vers 13). 

Wie Du und ICH

Ich finde es wichtig und ermutigend, dass mir die Bibel zeigt: Auch diese beiden großen Apostel waren nicht perfekt. Die Großen des Glaubens sind Menschen gewesen wie du und ich. Sie hatten ihre Macken - manchmal mehr als eine. Aber beide haben sich auf ihren Schwächen nicht ausgeruht. Sie haben sich mit ihren Licht- und Schattenseiten auf den Weg gemacht, um von der Botschaft Jesu das zu leben, was sie davon begriffen hatten. 

Der verstorbene Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé in Burgund, Frère Roger Schutz, hat es einmal ähnlich formuliert: „Lebt, was ihr vom Evangelium verstanden habt. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebt es.”

Für mich heißt das: Meine Schwächen und meine Begabungen dürfen gleichermaßen leben. Ich darf vor Gott mit den eigenen Stärken und den eigenen Grenzen Frieden schließen. Und dann zuversichtlich und froh mein Leben gestalten. 

Ich brauch mich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Ich darf an meiner Kirche und an der Gesellschaft, in der ich lebe, mitbauen. Mit den Möglichkeiten, die mir gegeben sind.

Davon singen schon in der Bibel Verse aus einem alten Lied, dem 116. Psalm. Da heißt es: „Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der Herr tut dir Gutes. Ich will wandeln für den Herrn im Land der Lebendigen. Sei nun wieder zufrieden, meine Seele.“ – Hier ist dieser Psalm, vertont als Chormotette im 17. Jahrhundert, aus den „Musicalischen Andachten“ von Andreas Hammerschmidt. 

Musik 4: Andreas Hammerschmidt: „Sei nun wieder zufrieden, meine Seele“; CD: Himmlische Cantorey / Knabenchor Hannover / Johann Rosenmüller Ensemble: Verleih uns Frieden. Geistliche Vokalmusik von Andreas Hammerschmidt; Label Rondeau LC 06690 / ROP7001; Track 17; 03:32

Diese Psalmworte aus der Chormotette von Andreas Hammerschmidt, die hätten zu den beiden „Apostelfürsten“ gut als Lebensmotto gepasst: „Ich will wandeln für den Herrn im Land der Lebendigen, denn der Herr tut dir Gutes.“ Mir sagt dieses Fest, das zwei so ganz verschiedene Persönlichkeiten gemeinsam in den Blick rückt: es braucht auch heute in meiner Kirche Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit. 

"Das Leben ist wie ein Fahrrad"

Gerade jetzt im Sommer, da gerät draußen in der Natur alles in Bewegung. Und ich finde, das Fest „Peter und Paul“ heute und morgen, das passt prima in diese Jahreszeit. Petrus und Paulus haben mit all ihren Eigenarten und Fähigkeiten, mit ihren Stärken und Schwächen die Menschen in den Wirren ihrer Zeit mit Kraft und Ausdauer ermutigt und ihnen gesagt: Gott ist nahe! Davon haben sie sich in Bewegung setzen lassen, um in ihrer Zeit die Freude am Glauben weiterzugeben und zu bezeugen. Weil sie von ihrer Überzeugung ganz erfüllt waren, haben sie einiges an Spannungen aushalten und immer wieder aufbrechen können. Denn das ist Leben.

Die Zuversicht von Petrus und Paulus, dass sich das Aufbrechen und in Bewegung Bleiben lohnt, die wünsch ich mir jetzt im Sommer und für das ganze Jahr in meiner Kirche und auch für meinen persönlichen Alltag. Am Fest Peter und Paul denke ich an eine Spruchkarte, die mir von ein paar Jahren jemand geschenkt hat. Der Text darauf stammt von Albert Einstein und stammt aus einem Brief an seinen Sohn, den er 1930 geschrieben hat. Ich glaube, der hätte auch Petrus und Paulus gefallen: „Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärtsbewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.“

Musik 5: Johann Sebastian Bach: Fughetta super „Dies sind die heil’gen zehn Gebot“, BWV 679, CD 8/12 „Bach – The Organ Works“ von Helmut Walcha, Label Archiv Produktion Polydor International GmbH (463 719-2), Track 30, 02:11

 

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