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Angesicht
Bildquelle: PublicDomainPictures/Pixabay

Angesicht

Kurt Grützner
Ein Beitrag von Kurt Grützner, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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„Mal so richtig was falsch gemacht“. Wer hat das noch nicht? Besonders in der Pubertät neigen wir dazu. So auch unsere 15-jährige Tochter letztens. Und davon möchte ich heute erzählen.

Gesenkten Hauptes kommt sie uns entgegen. Und auch ich kann sie erstmal nicht ansehen. Sie hat mein Vertrauen missbraucht. Spannung liegt in der Luft- kaum auszuhalten. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie sie vorsichtig in meine Richtung schaut. Ich spüre meinen Impuls, sie auch ansehen zu wollen. Aber ich kann es einfach noch nicht.

Ansehen – angesehen werden – Angesicht. Ein altertümliches Wort. Aber manchmal benutzen wir es auch im Alltag: „Das kann ich dir nur von Angesicht zu Angesicht erzählen“, sagen wir, wenn es um was Wichtiges geht.

Wenn’s bedeutsam wird reden wir vom Angesicht. „Gesicht“ beschreibt die physische Vorderseite unseres Kopfes. „Angesicht“ aber meint den ganzen Menschen.

Unsere Tochter also sucht mein Angesicht. Und ich kann es einfach noch nicht. Das tut mir weh. Aber ich bin ja auch nicht Gott, der Herr. Den bitten wir nämlich in jedem Gottesdienst am Ende beim Segen, dass er sein „Angesicht leuchten lasse über uns“ und „uns gnädig sein möge“. Das wünscht sich unsere Tochter jetzt auch. Und dass ich „mein Angesicht erhebe und Frieden wieder einkehren soll“.

Es hat ein bisschen gedauert, aber wir haben es geschafft. Geredet dann doch von Angesicht zu Angesicht- Schuld benannt und um Vergebung gebeten und dann verziehen. Rückblickend können wir beide sagen: das Vertrauen ist nicht nur wieder hergestellt. Es ist tiefer und fester geworden. Gott sei Dank.
Gott sieht uns an: Das feiern wir am Ende jedes Gottesdienstes mit den alten Segensworten, die uns auch jeden Tag begleiten können.
Der Herr segne dich und behüte dich
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden.

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