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Alles zum Besten kehren
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Alles zum Besten kehren

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin i. R., Marburg
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Von Thomas Edison, dem Erfinder der Glühbirne, wird folgende Geschichte erzählt:
"Eines Tages kam er mit einem Brief von der Schule nach Hause und sagte zu seiner Mutter: "Mein Lehrer hat mir diesen Brief gegeben, ich solle ihn nur dir zu lesen geben."

Die Mutter hatte die Augen voller Tränen, als sie dem Kind laut vorlas: "Ihr Sohn ist ein Genie. Diese Schule ist zu klein für ihn und hat keine Lehrer, die gut genug sind, ihn zu unterrichten. Bitte unterrichten Sie ihn selbst."Viele Jahre nach dem Tod der Mutter, Edison war inzwischen einer der größten Erfinder des Jahrhunderts, durchsuchte er eines Tages alte Familiensachen. Plötzlich stieß er in einer Schreibtischschublade auf ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Er nahm es und öffnete es. Auf dem Blatt stand geschrieben: "Ihr Sohn ist geistig behindert. Wir wollen ihn nicht mehr in unserer Schule haben."Edison weinte stundenlang und dann schrieb er in sein Tagebuch: "Thomas Alva Edison war ein geistig behindertes Kind. Durch eine heldenhafte Mutter wurde er zum größten Genie des Jahrhunderts."

Mich beeindruckt an dieser Geschichte nicht nur das große Vertrauen, das die Mutter in ihren Sohn hat. Sondern wie sie mit diesem Affront, mit dieser Kränkung umgegangen ist. Wir wissen, dass Edison aufgrund einer Kinderkrankheit nicht gut hören konnte. Dass die Lehrer ihn deshalb als geistig behindert angesehen haben, das hat ihr die Tränen in die Augen getrieben. Tränen der Empörung, des Zorns einer Mutter, die ihr Kind liebt und alles daran setzt, damit es nach besten Möglichkeiten gefördert wird.
Was sie mit ihrer Wut gemacht hat, das beeindruckt mich. Heute würden viele an ihrer Stelle einen Rechtsanwalt einschalten oder über die sozialen Medien eine Welle starten. Sie aber wendet die Kraft ihres Zorns in eine positive Richtung und tut alles, damit er auch ohne die Schule eine gute Ausbildung bekommt. Den Brief und das Urteil der Lehrer hat sie für sich behalten als ihr Geheimnis. Sie hat es ihrem Sohn auch später nicht erzählt, um ihm zu zeigen, wie viel er ihr zu danken hat.
„Wir sollen unseren Nächsten lieben und alles zum Besten kehren“, lehrt Martin Luther in seinem kleinen Katechismus. Alles zum Besten kehren. Wenn andere mich verletzen, nicht in die Opferrolle gehen, nicht nur klagen über das Böse, das mir angetan wird. Sondern die Kraft, die in meiner Wut liegt – und Wut ist eine sehr kraftvolle Emotion -  diese Kraft in eine positive Richtung lenken. Zum Besten für die anderen und für mich selber. Wie die Mutter von Thomas Edison.

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