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Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
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Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Der 27. Januar ist seit gut zwanzig Jahren der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Dafür eingesetzt hat sich der damalige Bundespräsident Roman Herzog, der vor zwei Wochen gestorben ist. Warum hat er gerade diesen Tag vorgeschlagen?

Am 27. Januar 1945, einem kalten Wintertag, sind nachmittags die letzten Überlebenden des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit worden. Noch knapp 8.000 Menschen waren das, entkräftet, krank, erschöpft. Ausgehungerte und sterbende Gefangene, hohlwangige Kinder in zerlumpten Sträflingsjacken.

Auschwitz ist unbegreiflich. Wie können Menschen so etwas tun? Ein überlebender Häftling von Auschwitz, Eli Wiesel, schreibt 30 Jahre später: „Es ist möglich, in eine Oberschicht oder Mittelklasse-Familie geboren zu werden, eine erstklassige Erziehung zu empfangen, …Museen und literarische Zirkel zu besuchen, … und eines Tages damit zu beginnen, Männer, Frauen und Kinder zu massakrieren, ohne zu zögern und ohne Schuldgefühl…“

Auschwitz ist unbegreiflich. Der Glaube an den Menschen ist durch Auschwitz von Grund auf erschüttert. Und auch der Glaube an einen liebenden und mächtigen Gott. Gibt es denn irgendeine Erklärung dafür, dass neben vielen anderen ausgerechnet Millionen Menschen ermordet wurden, die nach biblischer Tradition Gottes auserwähltes Volk sind?

Das Bild, das sich Menschen – nach Auschwitz – von Gott machen, zeigt einen mitleidenden Gott. Der Holocaust richtet sich gegen Gott. Hat Gott selbst millionenfach den Tod erlitten?

Der Tag heute ist dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gewidmet. Wozu dient das – 72 Jahre nach der Befreiung von Ausschwitz?
Die Mehrheit der Deutschen spricht sich dafür aus, einen „Schlussstrich“ zu ziehen. Sie wollen sich nicht mehr mit dieser Vergangenheit beschäftigen.
Ich denke, es geht nicht nur um die Vergangenheit. Am 27. Januar richtet sich der Blick auch in die Zukunft. Wer sich an Auschwitz erinnert, denkt auch an den Auftrag, der sich aus dieser Geschichte ergibt: die Menschlichkeit zu schützen und zu bewahren.

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