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Mit der eigenen Geschichte im Reinen
Bild: Free Photos/Pixabay

Mit der eigenen Geschichte im Reinen

Norbert Mecke
Ein Beitrag von Norbert Mecke, Dekan, Evangelischer Kirchenkreis Melsungen
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"I did it my way!" – wenn große Stars ihre Karriere beenden und von der Bühne abtreten, läuft oft der wohl berühmteste Frank-Sinatra-Song:

"I did it my way…! - Ich hab´s auf meine Art gemacht!"

Ich mag das Lied. Wenn ich dann noch die passenden Abschiedsbilder dazu sehe, bin ich oft gerührt: von der Mischung aus pathetischem Schlussakkord und musikalisch inszeniertem Selbstbewusstsein: Mein Weg!

Ist mein Leben nach meinen Wünschen verlaufen?

Manchmal komme ich aber auch ins Fragen: Wenn das Ende naht und sich der letzte Vorhang schließt, kann man dann so singen: Das alles war eben mein ganz eigener Stil: das pralle Leben – so gewollt und durchgezogen! Wie ist das mit den eigenen Ecken und Kanten? Und mit dem ganzen Holprigen der eigenen Lebensgeschichte?

Ein bisschen regt sich der Verdacht: Da hat einer erst seinen Pfeil abgeschossen und malt dann da, wo er stecken geblieben ist, die Zielscheibe drumherum: mein Weg – ein Volltreffer ins Schwarze! Ich hab´s hingekriegt!

"Erfülltes Leben"- bei wem ist das schon ausgemacht?!

Hut ab, wer mit seiner Lebensgeschichte so im Reinen ist! Mit einem Bild aus einer anderen Sportart: Mir fallen schon ein paar Pudel ein, die ich geworfen habe. Das Leben ist bei weitem nicht immer "Alle Neune!". Manches ist ganz schön neben der Idealspur. Das hätte ich mir anders gewünscht. Das war anders geplant. Und ob es am Ende eine Punktlandung in Sachen "Erfülltes Leben" wird – bei wem ist das schon ausgemacht?!

Sinatras Antwort aus der Schlusszeile des Songs: "The record shows, I took the blows. - Die Bilanz zeigt: Ich habe einstecken müssen! - And did it: my way!"

Das ist leichter gesungen als getan. Das Leben kann Tiefschläge austeilen, die die stärksten Charaktere auf die Bretter strecken: "Alles verlieren, Gott hat einen harten linken Haken!" (Peter Fox).

Gibt es ein Rezept?

Was ist denn "the way", der Weg, um zufrieden auf sein Leben schauen zu können? Gibt es ein Rezept?

"Et kütt, wie et kütt! - Es kommt, wie es kommt!", sagt der Kölner.

Mag sein. Aber das kann doch wohl noch nicht die ganze Antwort sein!

Einer, der es wie Frank Sinatra auf internationale Bühnen gebracht hat, ist Josef. Eigentlich liest man von ihm auf den ersten Seiten der Bibel. Aber dank Andrew Lloyd Webber wird seine Geschichte auch als Musical erzählt: "Joseph and the amazing technicolour dreamcoat".

Josefs Überzeugung: "Gott gedachte es gut mit mir zu machen!"

Eine uralte und doch moderne Erzählung über Neid, Verführung, Schicksalsschläge, Erfolg, Träume, Aufs und Abs und mit der Frage, wie man mit seinem Schicksal ins Reine kommt. Wenn Sie die Lust packt, lesen Sie mal im Ersten Buch Mose ab Kapitel 37. Aber Achtung: "Spoiler-Alarm"! Das Ganze endet mit Josefs Rückblick und der Überzeugung: "Gott gedachte es gut mit mir zu machen!" (1.Mose 50,20)

Die Josefs Geschichte in groben Zügen

Josef ist der jüngste von 12 Brüdern – und Papas Liebling. Das lässt er auch seine Brüder spüren. Sie werden immer eifersüchtiger auf ihn und beschließen, ihn um die Ecke zu bringen: mindestens um die Ecke weit weg. Sie verkaufen ihn nach Ägypten.

Wie kann einer so zufrieden auf sein Leben blicken, der mit 17 von den eigenen Brüdern als Sklave ins Nachbarland verhökert wird? Kann man unter solchen Umständen je wieder mit seiner Biographie ins Reine kommen? Da wird man doch bitter, lebensmüde oder ist traumatisiert!

Dort in Ägypten wird ihm eine versuchte Vergewaltigung unterstellt. Nichts davon ist wahr. Trotzdem: Kurzer Prozess. Kerker. Der nächste Nackenschlag. Als vermeintlicher Sexualstraftäter rechtlos in der Fremde: Wie soll das nochmal gut werden?

"Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen"

Aber Josef hält an seinen Werten und Träumen fest. Und deutet mit Gottes Hilfe die seiner Zellennachbarn: zweier Beamten des Pharaos. Das stößt Interesse bei Hof an - und einen steilen Aufstieg: Josef wird die rechte Hand des Pharaos. Heirat, Familie: Ende gut alles gut…? Der Showdown kommt noch:

Die Brüder kreuzen wegen einer Hungersnot als Bittsteller bei ihm auf. Sie hatten Josefs Lebenspläne durchkreuzt, ihm übel mitgespielt, ihm alles genommen. Ha! Jetzt sind sie in seiner Hand – und Josef?

Kurz bevor sich der Vorhang schließt, redet er freundlich mit den Brüdern:

"Fürchtet euch doch nicht! Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen!"

Statt "My way" klingt etwas von "Gods way" an

Wow! Was muss da in Kopf und Herz passiert sein, um so mit so einer eigenen Geschichte und den Mitmenschen ins Reine zu kommen!?

Statt "My way" klingt etwas von „Gods way“, von Gottes Weg, an.

Das macht neugierig!

"Gott gedachte es gut zu machen!" – ist das so etwas wie "Et kütt, wie et kütt!" im frommen Dialekt?

Josef hält nix vom "Schicksal". Klar sieht er, wie ihm seine Lebensgeschichte mitgespielt hat. Er könnte sich stolz feiern, wie er in dem Ganzen seine Schneise geschlagen hat. Und im Finale könnte er seinem Stolz darüber noch eins draufsetzen, indem er heldenhaft-großmütig vergibt - von oben herab:

als Demütigung derer, denen er´s jetzt er ein für alle Mal zeigt: "Ich habe durch Euch einstecken müssen! - And did it: my way!"

Josefs Rezept: Gott vertrauen

Es geht ihm aber nicht um herablassenden Großmut. Es legt sein Rezept auf den Tisch. Dort steht, was ihm auch in den schwierigen Lebensabschnitten Halt und Lebensmut gab und gibt: Vertrauen auf Gott. Das ganze Leben ist eben nicht nur ein eigener Weg, sondern ein gemeinsamer mit Gott: "God´s way" – sicher nicht in allen Phasen zu durchschauen. Er verläuft auch nicht automatisch als Idealkurve – vielleicht nicht mal mit etwas, was den Titel "Happy End" verdient – aber in Höhen und Tiefen nie allein: Trotz eigener Ecken und Kanten geht einer geduldig mit – und für den bin und bleibe ich wertvoll. Er meint es gut mit mir. Und gedenkt es gut zu machen.

Wer vertraut, kann mit sich ins Reine kommen

In Kopf und Herz von jemandem, der so vertrauen kann, setzt sich nicht nur der Sud aller Erlebnisses des Lebens ab. Da pulsiert die Erfahrung: Ich kann mit mir ins Reine kommen, auch wenn nicht alles ein Volltreffer ist. Ich kann auch meine Niederlagen und Fehler sehen, ohne an ihnen zu verzweifeln. Ich kann Neues wagen und muss andere auch nicht auf ihre Fehler festnageln.

Ob ich mal stolz auf mein Leben zurückblicke? Manchmal klingt ja bei "stolz" gleich "überheblich" mit. Nein. "My way", mein Lebensstil ist nicht der Wurf schlechthin. Aber wenn im Wort „stolz“ etwas von "aufrecht" mitschwingt, dann ja: Mein Glaube richtet mich auf. Das ist die Haltung eines Josef. So wünsche ich sie jedem. In ihr steckt ein Stolz, der mit sich und anderen gnädig umgeht, weil genau das Gottes Weg mit uns ist.

Und wenn der letzte Vorhang fällt? Dann wird der Schlussakkord schöner ausfallen als ich es besingen könnte:

Ich sehe mich da gar nicht alleine stehen und meinen Weg rechtfertigen. Da singt der Himmel: wo die Wege angekommen sind und in Liebe ausgeleuchtet werden.

Und Gott – mittendrin – wird es gut machen. Mehr als gut!

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