Ihr Suchbegriff
Meinen eigenen Weg finden
Bild: Pixabay

Meinen eigenen Weg finden

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau

Wölfe – jetzt auch bei uns? Zumindest berichten Jogger davon. Jogger, die, nun zwar nicht mit absoluter Wahrscheinlichkeit, aber doch ziemlich sicher sind, im Bruchköbler Wald einen Wolf gesehen zu haben. Seitdem erscheinen einige Artikel in der Tageszeitung. Und natürlich ist die Bevölkerung alarmiert. Auch der Besitzer eines Wolfshundes meldet sich. Sein Wolfshund könnte es gewesen sein, den die Jogger gesichtet haben. Die Jogger jedoch verteidigen ihre Wahrnehmung.

Mir geht es jetzt nun gar nicht um die wahre Identität des gesichteten Tieres. Und auch nicht darum, was passiert, wenn unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen. Was mich persönlich an diesen Artikeln anrührt, ist schlichtweg die Überzeugung, mit der die Jogger immer wieder ihre Sichtweise verteidigen.

Momente, in denen Menschen aufgrund ihrer eigenen, tiefen Überzeugung sich für ein Mehr an Menschlichkeit und die Zukunft unserer Welt einsetzen – viel weitreichendere Momente als die Frage nach einem vermeintlichen Wolf kommen mir da in den Sinn.

Ich denke sogleich an die 16jährige Umweltaktivistin Greta Thunberg aus Schweden: Klar und deutlich fordert sie eine konsequente Klimapolitik. Ihr Vorbild regt inzwischen Schüler und Schülerinnen weltweit zum Nachdenken an. Ich denke auch an die Geschwister Hans und Sophie Scholl. Ihr Tod jährte sich in der vergangenen Woche zum 76. Mal. Sie starben, weil sie sich als Mitbegründer der studentischen Widerstandgruppe „Weiße Rose“ dem Nationalsozialismus entgegenstellten.

Sicherlich nur drei Menschen, deren Überzeugungskraft wirkte und wirkt. Es gibt noch so viel mehr dieser Menschen, die für sich erkennen, wann sie ihre Stimme erheben müssen. Ich frage mich, was in ihnen diese Überzeugung auslöst. Sicherlich gibt es immer unzählig viele Begegnungen, Überlegungen, Fragen und Zweifel, die eine Überzeugung reifen lassen.

Als Frau der Kirche bin ich schnell bei Jesus Christus. Sein Gespür für die Nöte der Welt am Beginn seines öffentlichen Auftretens zeigt sich sogar in einer eigenen Person: Es ist Johannes der Täufer, ein jüdischer Bußprediger und Wegbereiter Jesus, wie er sich selbst nannte. Dieser Johannes spürt die Gottesferne der Menschen. Er spürt, dass es ihnen an Hoffnung auf das Reich Gottes mangelt. Und er ist überzeugt davon, dass Jesus derjenige ist, der gekommen ist, um für diese Hoffnung zu leben.

Alle, im besten Sinne des Wortes, weltverbessernden Personen erwecken in mir nun zwar nicht den Wunsch selbst eine solche zu sein. Ein bisschen nur ihres feinen Gespürs wünsche ich mir. Eine größere Ahnung für das, was genau jetzt und hier in meiner Situation von mir gefordert ist – im Einsatz für eine sinnvolle und lebenswerte Zukunft, denn das erscheint mir sinnvoll. Aber wo anfangen? Soll ich mich zuerst für weniger Plastik einsetzen? Kein Auto mehr fahren? Mich für Meinungs- und Pressefreiheit in totalitären Regimen einsetzen? Radikal mein Leben ändern?

So schnell finde ich keine Antwort, aber ich will meine Sinne weiter schärfen für das, was um mich herum geschieht. Hans und Sophie Scholl, Greta Thunberg, Johannes und Jesus sowieso – sie alle motivieren mich. Sie motivieren mich, genauer zu spüren, was in mir selbst und in der Welt vorgeht. Und so zu erfahren, was zu Recht danach drängt, gehört und gesagt zu werden.

Wenn ich das bewusst versuche, jeden Morgen aufs Neue, dann gelingt es mir sicher viel besser, meinen eigenen Weg zu finden und auch, so manchen vermeintlichen Wolf in meiner Welt – mit oder ohne Schafspelz – zu entlarven…

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren