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Gott muss es gewusst haben
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Gott muss es gewusst haben

Dr. Klaus Dorn
Ein Beitrag von Dr. Klaus Dorn, em. Dozent am Kath.-Theol. Seminar, Marburg

Gott muss es ganz genau gewusst haben. Er muss gewusst haben, was er da macht, als er die Menschen schuf. Dass jeder Mensch viele verschiedene Seiten hat, gute und schlechte. Ein Mensch kann abgrundtief lieben, aber ebenso hassen, er kann für andere sein Leben geben und andere um ihr Leben bringen. So ganz verständlich ist die Sache mit der Sintflut daher nicht. Sie ist ohnehin kein historisches Ereignis, sondern eine Erzählung über das Böse in der Welt und dessen erfolglose Bekämpfung. Dieser Gott musste auch erst lernen, mit seinen Geschöpfen umzugehen, auch in der Zeit nach der Sintflut. Das Böse wurde durch sie ja nicht ausgerottet. Gott beschließt zwar, seine Schöpfung nicht noch einmal fast vollständig vernichten zu wollen, macht sich aber auch wenig Hoffnung für die Zukunft. Um die Gewalt irgendwie zu kanalisieren, erlaubt er nun, nach der Flut, als Zugeständnis an die Schöpfung, den Genuss von Fleisch für Mensch und Tier. Er weiß sehr wohl, dass dies zum gewaltsamen Tod vieler Lebewesen führt.
Was hat er sich also gedacht, als er die Spezies Mensch erschuf und ihr den Auftrag gab, über die Schöpfung zu wachen und sie zu bewahren – anstatt sie abzuwirtschaften und zu ruinieren.
Wenn man die Frage stellt, wieso alles so gekommen ist, wie es ist, sprechen viele Theologen von jener Freiheit, in die Gott uns entlassen hat. Nur allzu oft entscheidet sich der Mensch für das Böse, für Gewalt statt Fürsorge, für den Tod statt für das Leben.
Wir haben im Grunde viel zu viel selbst in der Hand. Wir entscheiden über Krieg und Frieden, in der Demokratie auch über jene, die ein Volk regieren werden. Leider versprechen viele Staatslenker nur oder vorwiegend für das eigene Volk zu entscheiden und andere außen vor zu lassen, ja sogar zu diskriminieren. Gott wird da nicht eingreifen und die Entscheidungen der Menschen verändern. Warum sollte er auch? Oft genug wissen oder ahnen wir doch selbst, was aus unseren Handlungen entsteht. Warum soll er für die Folgen gerade stehen?
Letzten Endes weiß niemand warum er unsere Verfehlungen, also das Böse, zulässt. Ganz sicher aber nicht deshalb, um sich danach großzügig und barmherzig  zeigen zu können. Und auch sicher nicht, um da ein paar Menschen zu haben, die ihm dienen, Opfer bringen und Lieder für ihn singen. Wenn er schon alles gewusst hat, kann es eigentlich nur einen Grund für sein Tun geben: Er wollte uns! Trotz allem. Um uns die Chance zu geben, einander zu lieben nach seinem Vorbild. Und: Er nimmt in Kauf, dass wir dazu noch immer nicht so fähig sind, wie er sich das wünscht. Aber: Er hört nicht auf, uns zu lieben. Trotz allem. Gott sei Dank!

 

 

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