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Gelassenheit üben
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Gelassenheit üben

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt

Pretty Woman, ein Liebesfilm von 1990. Ein reicher Geschäftsmann engagiert eine Prostituierte nicht für Sex, sondern als Begleiterin und verliebt sich in sie. Er nimmt sie mit in die Oper, zum Pferderennen und zu wichtigen Geschäftsessen. Er führt sie in seine Welt von Bildung und Reichtum ein. Am Ende gibt’s natürlich ein Happy End. Die amerikanischen Schauspieler Julia Roberts und Richard Gere sind durch diesen Film berühmt geworden. Als Jugendliche habe ich „Pretty Woman“ x-mal gesehen.

Eigentlich sollte jemand anderes die männliche Hauptrolle spielen. Der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz war dafür im Gespräch. Bruno Ganz – Seite an Seite mit Julia Roberts? Der Hitler-Darsteller aus "Der Untergang" oder der Almöhi aus dem Film „Heidi“ sollte die Rolle des charmanten Managers in "Pretty Woman" übernehmen? Das wäre ein komplett anderer Film geworden. Und Bruno Ganz‘ Leben wäre wahrscheinlich komplett anders verlaufen: mehr Hollywood, mehr roter Teppich, mehr Glitzer und Glamour. Der 76-Jährige nimmt es im Rückblick gelassen. Er sagt: "Genau genommen habe ich dieses Angebot nicht abgelehnt. Es ist vielmehr irgendwie versandet."

Verpasste Chancen, die „versandet“ sind. Der Ausdruck macht mich hellhörig. Klingt so, als ob Bruno Ganz eine extrem entspannte und gelassene Haltung zu seinem Beruf und seiner Karriere hat. Er hört sich kein bisschen enttäuscht an über den Verlauf seines Lebens. Davon würde ich mir gern eine Scheibe abschneiden.

Manchmal blicke ich voller Neid auf die Lebensläufe von anderen: Die eine Freundin hat nebenher promoviert, die andere hat viel mehr Kontakte als ich. Dann denke ich: „Die haben ein besseres oder leichteres Leben als ich.“ Zufrieden mit seinem Leben zu sein, das finde ich schwer. Bruno Ganz hat den Dreh schon raus. Ich glaube, er vergleicht sich einfach nicht so viel mit anderen. Eine gute Regel fürs Leben. Es gibt ja immer Menschen, die mehr hinkriegen als man selbst.

Beim Vergleichen ist die Unzufriedenheit vorprogrammiert. Und trotzdem: Das Vergleichen und Messen mit anderen ist auch menschlich. Ein Liedtext von Jürgen Werth hilft mir dabei, mich trotzdem ganz besonders und wichtig zu fühlen. Da heißt es: „Vergiss es nie: Niemand denkt und fühlt und handelt so wie du, und niemand lächelt, so wie du`s grad tust! Vergiss es nie: Niemand sieht den Himmel ganz genau wie du, und niemand hat je, was du weißt, gewusst. Du bist ein Gedanke Gottes, eine genialer noch dazu.“

Bei Gott einmalig sein, das ist doch eine echte Grundlage für Zufriedenheit, finde ich. Da müsste ich doch gelassen auf verpasste Chancen zurückblicken können und sie in Ruhe „versanden“ lassen.

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