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Es führt über den Main

Es führt über den Main

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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„Es führt über den Main eine Brücke von Stein, wer darüber will gehn, muss im Tanze sich drehn …“ – so beginnt ein altes Volkslied aus der Gegend von Frankfurt. Es singt von einer Brücke über den Main, und viele Leute kommen vorbei: ein Fuhrmann, ein junger Bursche, ein Mädchen, ja sogar der König. Alle müssen sie tanzen, wenn sie über die Brücke gehen. Die Pferde des Fuhrmanns, der Bursche hüpfend ohne Schuhe; das Mädchen dreht ihren Rock im Wind; der König tanzt Menuett.

Das Lied hat eine leichte Melodie, sie steigt erst in kleinen Tonschritten auf, nimmt dann zwei Töne tiefer einen neuen Anlauf und kommt schließlich in Moll auf dem höchsten Ton an; von dort geht es in Dreiklängen wieder herab bis zum Grundton. Die Melodie ist so wie eine Brücke, von einem Ufer an das andere geworfen. Unaufhörlich fassen sich Menschen an die Hände und tanzen, und alle werden gleich auf dieser Brücke. Auch der König muss nicht würdig schreiten, sondern darf seine Füße heben und im Tanz schwingen.

Das Lied singt gegen den Tod an und dessen Macht, die der über die Menschen hat. Durch das Singen wird seine Macht schon gebändigt; etwas von ihrem Schrecken wird ihr genommen. Die Komponistin Felicitas Kukuck hat dieses Lied vertont und weitergedichtet, und ihr Leben zeugt vom Protest gegen die Mächte des Todes. Ihr Mädchenname war Felicitas Cohnheim. In der Nazi-Diktatur galt sie als „Vierteljüdin“. 1937 bekam sie als frisch gebackene Musiklehrerin wegen ihrer jüdischen Herkunft gleich Berufsverbot. Ihre Rettung war 1939 die Heirat mit Dietrich Kukuck. Mit dem fröhlichen Nachnamen entging sie der Mordmaschinerie der Nazis.

So fröhlich singt auch das Lied über den Tod, es will die Angst etwas leichter machen. Es lässt die Menschen tanzen, ob jung oder alt, arm oder reich. Das Lied ist ein deutsches ‘Sur le pont d’Avignon‘. Auch in dem französischen Volkslied tanzen Soldaten und kleine Kinder, Äbte und Musiker, gute Freunde und Feinde; das Tanzen verbindet sie auf der Brücke. Aber das deutsche Lied ist nicht so unbeschwert heiter. Es versucht, mit Heiterkeit dem Tod zu trotzen.

In ein paar Wochen ist das Osterfest. Für mich als Christ ist es das wichtigste Fest in jedem Jahr. In der Mitte der Nacht leuchtet dann das Licht der Osterkerze auf und ich feiere mit allen Christen auf der Welt: Die Kraft der Auferstehung ist größer als der Tod. In diesem Jahr wird das Osterfest für mich besonders wichtig sein, auch wenn seine Feier ganz anders sein wird. Gottes Protest gegen den Tod gibt mir Kraft - inmitten der dunklen Mächte der Gewalt wie in Syrien und Hanau, mit Blick auf das Corona-Virus und auch bei einigen Schicksalsschlägen, die ich nicht verstehe. Ich will die Hoffnung behalten: Gott will den Tod in Leben verwandeln.

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