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Einsicht - eine Gabe des Heiligen Geistes
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Einsicht - eine Gabe des Heiligen Geistes

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin
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Als Kind, so erzählten es meine Eltern, soll ich dann und wann ein wenig – nennen wir es mal – uneinsichtig gewesen sein. In der Familie ist folgende Geschichte fest verankert: In der ersten Klasse kam ich nach Hause, wir aßen zu Mittag, danach musste ich Schularbeiten machen. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ hieß es bei uns. Das ist einer der Glaubenssätze, die einen ein Leben lang begleiten.

Ich saß also am Tisch und rechnete. Zwei und zwei ist fünf. Meine Mutter griff korrigierend ein und sagte: Nein, das ist vier. „Ja, früher bei euch vielleicht, heute ist das anders!“, entgegnete ich im Brustton der Überzeugung. Meine Mutter schmunzelte, zeigte sich in der Sache aber hart. Die vier blieb stehen. Vor lauter Wut warf ich mich auf den Boden, schrie und biss in den Teppich.

"Einsicht gehört nicht zu meinen Kernkompetenzen"

Einsicht gehörte nicht zu meinen Kernkompetenzen, Mathe nicht zu meinen Neigungsfächern, aber ich kam trotzdem ganz gut durch die Schule. In der Oberstufe hatten wir eine junge Religionslehrerin. Manchmal bekannte sie: Das weiß ich jetzt nicht so genau, ich muss das erst nachlesen. Dabei wirkte sie kein bisschen unsicher. Sie lächelte freundlich und machte einfach an einer anderen Stelle weiter. Von anderen Lehrern kannten wir so etwas nicht. Sie wussten immer alles und hatten vor allem immer Recht. Das Erstaunliche daran: Wir haben unsere Reli-Lehrerin deshalb nie als schwache Lehrerin betrachtet – im Gegenteil!

Es ist schwer die eigenen Fehler zuzugeben

Inzwischen weiß ich, dass unsere Reaktion überhaupt nicht erstaunlich war. Viele Menschen – nicht nur Lehrer – haben große Schwierigkeiten, zuzugeben, etwas nicht zu wissen, etwas übersehen zu haben oder gar einen Fehler gemacht zu haben. Je schwächer das Selbstbewusstsein, desto schwerer wird das. Im kindlichen Alter scheint es sehr schwer zu sein – bei mir war es jedenfalls so. Wo Einsicht herrscht, wo jemand eigene Fehler zugeben kann, wo man sich nicht selbst zum Maß aller Dinge macht, da waltet der gute Geist Gottes.
Die junge Pädagogin von damals ist später übrigens Ausbilderin geworden für den Religionslehrernachwuchs. Eine gute Wahl.

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