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Advent ist Aufbruch
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Advent ist Aufbruch

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Heute Abend beginnt die Adventszeit. Nicht nur Kinder freuen sich auf diese Wochen mit all den Ritualen, die Behaglichkeit ausstrahlen und Geborgenheit. Auch ich konnte es erst nicht abwarten, die erste Kerze anzünden zu können. Aber jetzt, wo er da ist, kommt mir der Advent viel zu früh. Ich bin noch gar nicht in adventlicher Stimmung.

Gemischte Gefühle vor dem Advent

Vielleicht liegt das Besondere dieser letzten Woche im November gerade darin: Wir haben nicht nur gemischtes Wetter, sondern auch gemischte Gefühle. Ich würde so gerne die Adventsstimmung in mich aufnehmen, aber irgendetwas sperrt sich. Dabei würde ich es wirklich gerne: Einmal tatsächlich zum Advent ganz neu anfangen, einmal diese Chance nutzen, nicht nur die Vorfreude auf die Geburt des Messias zu genießen, sondern auch meinen eigenen Neustart ins Leben.

Advent heißt Ankunft

Aber woher kommen diese gemischten Gefühle? Und was sperrt sich in mir? Ein Problem liegt schon im Wort Advent. Das wird mit „Ankunft“ übersetzt und weist auf die Geburt Jesu hin. Mit dieser Ankunft wird das Leben ganz neu, und die Adventszeit soll darauf vorbereiten.

Wer angekommen ist, geht gar nicht mehr los

Ankunft ist sprachlich zwar richtig, inhaltlich aber problematisch, denn Ankunft bezeichnet immer ein Ziel, das erreicht ist. Wer angekommen ist, geht gar nicht mehr los, weil er oder sie ja schon da ist. Aber Advent soll eigentlich doch das Gegenteil bewirken, nämlich Anfang und Aufbruch.

Eine Diskrepanz zwischen großer Verheißung und Wirklichkeit

Und genau da spüre ich den Bruch: Zum ersten Advent ist noch gar nichts angekommen, das Leben ist noch nicht neu, es ist vielmehr alles beim Alten. Diese Diskrepanz zwischen der großen Verheißung und der Wirklichkeit irritiert mich. Und da entsteht dann der Druck, etwas zu fühlen, was noch nicht da ist.

Etwas von dem alten Leben zurücklassen

Ich möchte tatsächlich etwas von dem alten Leben zurücklassen und endlich in die Tat umsetzen, was als Sehnsucht mit der Weihnachtsbotschaft in unsere Herzen gepflanzt ist: Keine Lüge bestimmt mehr den Alltag, kein Betrug regiert das Leben. Keine Gewalt herrscht über die Menschen und keine Gier übervorteilt den Nächsten. Stattdessen die Freude über den wärmenden Mantel der Liebe: In der Familie aber auch bei der Arbeit.

Advent ist doch Anfang

Das klingt alles groß, vielleicht ist es für mich zu groß. Aber dann sage ich mir: Advent ist doch Anfang. Und dafür muss ich meine Mitmenschen vielleicht gar nicht mit den dicken Mänteln der Liebe einhüllen. Für den Anfang genügt es schon, wenn ich irgendwo einen kleinen Zipfel erwische von diesem Mantel: Als anerkennendes Wort, als aufmunternde Geste, als liebevoller Blick. Noch nicht im neuen Leben angekommen, aber auf anderen Wegen starten.

Vier Wochen Zeit, um im neuen Leben anzukommen

Ich würde es tatsächlich gerne wollen, auch wenn Weihnachten in diesem Moment noch weit entfernt ist. Aber ich habe ja vier Wochen vor mir, vier Kerzen, vier Adventssonntage, für die ich vielleicht andere Namen wähle: Nicht erster bis vierter Advent, sondern erster bis vierter Aufbruch. Vielleicht komme ich dann ja an. Auf jeden Fall haben wir noch ein paar Wochen Zeit.

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