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Zwölf Zirkustiere oder: vom Prioritäten-Setzen
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Zwölf Zirkustiere oder: vom Prioritäten-Setzen

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Beim Thema „Brexit“ höre ich oft nur  noch aus Pflichtgefühl hin. Denn mein Hirn weiß natürlich: Es geht um wichtige politische Fragen. Aber meine Ohren möchten am liebsten auf Durchzug schalten bei dem Begleitgetöse, das vor allem die britische Regierung produziert.

Vor ein paar Tagen hab ich aber bei Radionachrichten plötzlich die Ohren gespitzt: Da hat die britische Abgeordnete Caroline Lucas den engen Zeitplan der Regierung für die Abstimmung des neuen Vertrags heftig kritisiert. Und dabei einen interessanten Vergleich gezogen. Sie hat gesagt: Für diese Debatte bekommt das Parlament weniger Zeit als für eine Debatte, die vor kurzem geführt wurde – über ein Gesetz zum Thema „Zirkus-Wildtiere“. Und dieses Zirkus-Gesetz betrifft nur 19 Tiere – aber beim Brexit-Vertrag geht es immerhin um die Zukunft von 65 Millionen Menschen in Großbritannien.

Natürlich finde ich das Schicksal von Tieren wichtig. Und ganz sicher ist der Holterdiepolter- Zeitplan von Premier Johnson reine Taktik gewesen. Aber trotzdem: Mir hat der Zirkustier-Vergleich richtig gut vor Augen geführt: Es ist wichtig, Gespür für Prioritäten zu haben und sich Zeit für die wirklich wichtigen Dinge zu nehmen.

Das fällt mir im Alltag oft schwer: Ich kümmere mich ständig um mittelwichtige Aufgaben. Bürokram. Oder die Winterreifen. Das ist ja auch gut so. Aber ich gestehe den wirklich wichtigen Dingen zu wenig Zeit zu. Weil ich im Alltag ihre Bedeutung nicht richtig erkenne.

So ist es mir gegangen, als ein guter Bekannter dringend Hilfe gebraucht hat. Ein Krankheitsfall. Ich hab mich zwar gerne gekümmert. Aber erst mal nur ab und zu die Viertelstunde, die ich halt übrig hatte. Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich verstanden hab: Ich muss hier viel mehr Zeit investieren. Es geht nicht um Viertelstündchen, sondern um einen ganzen Vormittag, um gemeinsam einzukaufen, Formular-Kram zu erledigen. Das ist jetzt wichtiger als der Schreibtisch zuhause.

Wenn ich daran zurückdenke, merke ich: Ich will, wenn es drauf ankommt, noch schneller Prioritäten setzen. Denn es einfach wichtig, sich für entscheidende Dinge Zeit zu nehmen. Ob das nun der Brexit-Vertrag ist – oder ein Notfall im Freundeskreis.

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